Leander und die Stille der Koje (German Edition)
das Offensichtliche nur nicht wahrhaben?
Der weitere Skatabend verlief ohne größere Zwischenfälle, einmal abgesehen davon, dass Mephisto ein Spiel nach dem anderen gewann und aus seiner Freude darüber keinen Hehl machte. Entsprechend genervt wechselten Henning Leander und Tom Brodersen gegen Mitternacht an den Tisch der Kommissare zurück.
»Wollen Mephisto und Götz nicht auch zu uns kommen?«, erkundigte sich Lena.
»Das kann dauern, die streiten sich noch über das letzte Spiel«, erklärte Tom Brodersen. »Mephisto hat falsch bedient, sonst hätte er nie gewonnen, aber das gibt er natürlich nicht zu. Götz glaubt, das jetzt ausdiskutieren zu müssen.«
Sie warfen einen Blick hinüber und sahen, wie Götz Hindelang Spielkarten auf dem Tisch aufdeckte und Blätter zusammensteckte, um den Spielverlauf rekonstruieren zu können, während Mephisto zu seiner Aufregung immer wieder dazwischen herumfingerte. Lena und Eiken lachten, nur Dieter Bennings konnte als passionierter Doppelkopfspieler den Ernst der Situation einigermaßen nachvollziehen und schwieg.
»Also, Tom«, wandte sich Leander an seinen Skatbruder. »Was wolltest du uns erzählen?«
»Oh nein«, stöhnte Lena und legte Leander eine Hand auf den Arm. »Der Fall ruht. Lass uns wenigstens an Dieters letztem Abend hier von etwas anderem reden.«
Leander und Tom Brodersen sahen sich an, nickten sich gegenseitig zu und fügten sich vordergründig dieser Aufforderung.
In diesem Moment kamen Mephisto und Götz Hindelang an ihren Tisch.
»Mit dem alten Mann ist nicht zu reden«, beschwerte sich der Maler. »Ich habe ihm eindeutig nachgewiesen, dass er falsch bedient hat, und wisst ihr, was er mir nach einer endlosen Diskussion zur Antwort gegeben hat? Jetzt sei die Sache ohnehin verjährt.«
Die anderen lachten, während Mephisto seine übliche Unschuldsmiene zur Schau trug und sich in die Runde setzte.
»Der ist uns über«, stellte Leander fest. »Lass gut sein, Götz. Nächste Woche holen wir uns alles wieder zurück.«
»Was ist denn das für ein Saftladen? Gibt es hier nichts mehr zu trinken?«, brüllte Mephisto durch den Raum, und sofort kam seine Kellnerin angespurtet und nahm die Bestellung auf.
Als die Freunde gegen drei Uhr morgens aus dem Kleinen Versteck wankten, war keiner von ihnen mehr nüchtern. Lena und Dieter Bennings beschlossen, den Dienst erst am späten Vormittag anzutreten, zumal sie sich ohnehin nur noch abstimmen wollten, bevor Bennings die Fähre nach Dagebüll nahm.
Sie verabschiedeten sich vor der Kneipe von Tom Brodersen und gingen in verschiedene Richtungen davon – Dieter Bennings zusammen mit Eiken Jörgensen, und Lena hakte sich bei Leander unter.
»Jetzt haben wir bald Zeit füreinander«, sagte sie. »Lass mich nur noch Baginski im Krankenhaus vernehmen, den Papierkram erledigen und alles an Flensburg abgeben. Und dann: endlich Urlaub!«
Leander blieb stehen, blickte sich um und rief seinem Freund Tom hinterher, der gerade sein Fahrrad auf die Straße schob. »Eine Sekunde«, sagte er zu Lena und lief zu Brodersen zurück.
Lena beobachtete stirnrunzelnd, wie die beiden Männer sich kurz unterhielten und Leander dann zu ihr zurückkam. »Was gab’s denn noch so Wichtiges?«, erkundigte sie sich.
»Tom hat da so eine Idee«, wich Leander aus. »Ich erzähle dir später davon, wenn du den Kopf wieder frei hast.«
Das stellte Lena zwar nicht zufrieden, aber sie kannte ihren Freund gut genug, um zu wissen, dass der nichts preisgab, was er nicht preisgeben wollte. Sie gingen Arm in Arm durch die Fußgängerzone nach Hause. Die Luft war nach dem Gewitter deutlich klarer, aber immer noch angenehm warm. Als sie ihr Friesenhaus betraten, war es darin nun stickiger als draußen. Auf dem Weg nach oben beschloss Leander, am nächsten Morgen gründlich zu lüften. Er ging ins Badezimmer und überlegte, ob er wohl zu müde war, um noch unter Lenas Bettdecke zu schlüpfen. Als er aber ins Schlafzimmer kam, hatte Lena ihm die Entscheidung bereits abgenommen. Laut schnarchend lag sie im Bett und hatte seiner Seite den Rücken zugekehrt.
19
Als Lena am Donnerstagmorgen die Zentralstation betrat, stieß sie auf einen zufriedenen Polizeioberkommissar Torben Hinrichs, dessen Lächeln man auch durchaus als hämisches Grinsen deuten konnte, und auf einen zerknirscht wirkenden Polizeihauptmeister Jens Olufs. Letzterer reichte ihr einen Zettel, auf dem der Name eines Arztes im Wyker Krankenhaus stand.
»Melf Albertsen ist
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