Leander und die Stille der Koje (German Edition)
erfahren.«
»Dann weißt du ja auch, wer der Mörder ist«, folgerte Leander.
»Tja, mein Lieber, auch auf Inseln hat das Mitteilungsbedürfnis von Mördern und deren Mitwissern seine Grenzen. Und meine zuverlässigen Quellen in höheren Sphären« – er deutete gen Himmel, respektive auf das Gewölbe der ehemaligen kleinen Kirche – »haben bislang geschwiegen.«
»Götz gibt«, erinnerte Brodersen sie an den eigentlichen Grund ihres Treffens. »Oder sollten wir heute nur ein richtiges Spiel machen?«
»Angesichts des Umsatzes, den du damit provoziert hast, würde das in der Tat reichen«, stichelte Mephisto.
»Nichts da«, protestierte Brodersen. »Das hole ich mir alles zurück. Jeden einzelnen Cent. Also los jetzt!«
Nachdem Leander zwei Spiele später ausgeteilt hatte und folglich nun aussetzen musste, griff er noch einmal das eben unterbrochene Thema auf: »Weiß sonst noch jemand etwas über den Mord in der Vogelkoje?«
»Er lässt nicht locker!«, stöhnte Hindelang.
»Das ist wohl das, was man eine ›deformation professionelle‹ nennt«, vermutete Brodersen.
»Na bitte, weiß er doch etwas, unser kleiner Lehrer«, stichelte Mephisto. »Er kann zwar kein Latein, aber er mag es gern französisch.«
»Womit wir dann beim Thema wären«, fuhr Brodersen unbeeindruckt von derartigen Sticheleien fort.
»Wie meinen?«, erkundigte sich Leander.
»Na, wie ich bereits andeutete. Es sollte mich nicht wundern, wenn dem Morddrama ein Liebesakt vorausgegangen wäre, so richtig klassisch mit Dreiecksbeziehung, Überraschung in flagranti, verschmähte Liebe und dergleichen.«
»Verzeih mir meine mangelhafte literarische Bildung, Herr der Bücher, aber du sprichst für mich in Rätseln.«
»Nun gut, dann will ich mal nicht so sein und mich auf dein Niveau herablassen. Die Boldixumer Vogelkoje ist eine Fanganlage der ganz besonderen Art. Da werden nicht nur Enten geringelt, wenn du verstehst, was ich meine«, führte Brodersen aus und fuhr auf Leanders leeren Blick hin fort: »Na, da wird auch so manches menschliche Täubchen des Nachts um seine Unschuld gebracht.«
»So unschuldig wird wohl keine der Damen mehr sein, wenn sie sich in die Vogelkoje schleppen lässt«, wandte Hindelang ein.
»Der Malermeister weiß offenbar, wovon er spricht«, feixte Mephisto.
»Irrtum, zu den Herren, die die Vogelkoje für ihre Schäferstündchen, oder soll ich sagen für ihre vögelkundlichen Exkursionen nutzen, gehöre ich nicht. Ich habe da nämlich keinen Zugang. Und nein, bevor ihr fragt, ich bin darüber nicht traurig.«
»Jetzt mal Tacheles«, forderte Leander Brodersen gereizt auf. »Manchmal geht ihr mir mit eurem fragmentarischen Geschwätz nämlich furchtbar auf die Nerven.«
»Also, im Rathaus nennt man die Boldixumer Vogelkoje auch Vögelkoje, natürlich nur hinter vorgehaltener Hand«, berichtete Tom Brodersen.
»Aber, aber, Herr Stadtrat«, tadelte Mephisto ihn betont empört. »Hüte er seine verleumderische Zunge. Schließlich ist er unser Repräsentant im Hohen Hause der Inseldemokratie.«
»Deiner doch wohl eher nicht, Schwarzrock! Ihr Katholiken wählt doch alle CDU«, entgegnete Brodersen unbeeindruckt. »Gott sei Dank gibt es von euch nicht ganz so viele auf Föhr. Außerdem kennst du deine Schäfchen mindestens genauso gut wie ich und weißt, was sie außerhäuslich so treiben.«
»Heißt das, dort gehen unsere Honoratioren und Abgeordneten mit ihren außerehelichen Liebschaften ein und aus?«, hakte Leander fassungslos nach.
»Wer die Vogelkoje nächtens aufsucht, weiß ich nicht. Ich sage nur, dass man hinter vorgehaltener Hand darüber tuschelt. Die Kollegen im Rat bekommen hinter den Kulissen ihrer Dörfer ja so einiges mit. Und außereheliche Liebschaften sind auf unserer schönen Insel so etwas wie Tradition. Man spricht nur nicht darüber, und bisher hat deswegen auch noch keiner einen Mord begangen.«
»Das heißt, in der Vogelkoje könnte sich ein außereheliches Drama abgespielt haben«, fasste Leander zusammen. »Weiß die Polizei davon?«
»Na, wenn das einer wissen wird, dann Torben Hinrichs«, erklärte Tom Brodersen lachend. »Der hat sein Ohr am Mund der Inselbevölkerung. Außerdem würde es mich bei dem nicht wundern, wenn er gelegentlich auch ganz gerne jagen würde, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Moment mal, der Hinrichs könnte also selbst in das Umfeld verwickelt sein, in dem er ermitteln soll?«
Tom Brodersen zog die Augenbrauen vielsagend hoch und machte
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