Leander und die Stille der Koje (German Edition)
Rathaus. Niemals!«
»Pressesprecher? Ich? Sag mal, spinnst du jetzt komplett? Du bist ja paranoid!«
»Sofort ziehst du die Zeitungen wieder aus dem Handel!«, brüllte Jacobsen. »Sonst zeige ich dir, wer hier paranoid ist!«
Brüning ließ sich in die hohe Lehne seines Schreibtischstuhls zurückfallen und atmete tief durch. Es wurde Zeit, dass er das Heft des Handelns wieder in die Hand bekam und diesem aufgeblasenen Provinzfürsten zeigte, wer hier tatsächlich überregionale Bedeutung hatte.
»Nein«, sagte er leise und bestimmt. »Und wenn du mir noch einmal drohst, steht das morgen auch in der Zeitung. Ich glaube nicht, dass sich die Chefredaktion in Flensburg eine derartige Einflussnahme von Seiten der Politik gefallen lässt. Parteifreund hin oder her.«
Ture Jacobsen schnappte nach Luft, wollte etwas sagen, bekam aber keinen Ton mehr heraus und drehte sich dann auf dem Absatz um. Bertolt Brüning zuckte zusammen, als die Tür ins Schloss knallte. Er lauschte den heftigen Schritten auf der Treppe nach unten nach und atmete tief durch, als auch die Ladentür laut ins Schloss fiel. Vorsichtig wurde seine Bürotür von außen geöffnet, und Nellie Niddessen, seine Mitarbeiterin aus der Anzeigenaufnahme, steckte vorsichtig den Kopf herein.
»Alles in Ordnung, Bertolt?«, erkundigte sie sich kleinlaut.
»Natürlich.«
»Ich habe dir gesagt, das gibt Ärger. Habe ich das nicht gesagt?«
»Doch, Nellie, hast du. Trotzdem machen wir weiter. Jetzt erst recht!«
»Jetzt erst recht!«, sagte Hinrichs, allerdings so leise, dass nur seine Untergebenen und nicht die Kriminalbeamten im Nebenraum es hören konnten. »So lasse ich nicht mit mir umspringen. Was glauben die eigentlich, wer sie sind?«
»Die haben nun mal das Sagen in dem Fall«, wandte Hauptmeister Jens Olufs ein. »Am besten finden Sie sich damit ab. Wenn der Mörder gefasst ist, sind Sie wieder alleine der Chef hier. Dann redet Ihnen keiner mehr rein, wenn Sie Fahrraddiebe jagen. Aber bis dahin …«
Oberkommissar Hinrichs lief rot an. Fahrraddiebe? Er hörte wohl nicht richtig! Wollte ihn jetzt jeder hier vorführen? Genau das kam dabei heraus, wenn seine Autorität durch die Schnösel von der Kripo untergraben wurde, genau das! »Wartet nur ab!«, murmelte er. »Wartet nur alle ab! Ihr werdet euch noch wundern!«
In diesem Moment klingelte das Telefon. Olufs hob ab, stand sprichwörtlich stramm und stotterte: »Jawohl, Herr Bürgermeister. Sofort, Herr Bürgermeister.«
Ha!, dachte Hinrichs. Jetzt geht es den Schnöseln an den Kragen! Der Bürgermeister fährt Schlitten mit denen, das geschieht ihnen recht!
»Für Sie, Chef. Der Bürgermeister.« Olufs hielt ihm den Hörer hin und schaute mitleidig.
»Für mich? Aber wieso?«, stammelte Hinrichs und griff mit zitternden Fingern nach dem Hörer. »Hallo, Herr Bürgermeister? Sie wollen doch bestimmt Hauptkommissar Bennings … ach, nicht … mich wollen Sie … Jawohl, Herr Bürgermeister. … Nein, Herr Bürgermeister, das ist ein Missverständnis. Ich habe nie … Jawohl, Herr Bürgermeister. … Nie wieder, natürlich. … Schweinerei, genau. … Natürlich nicht, Herr Bürgermeister! … Dankbarkeit, ja eben. … Loyalität. … Verzeihung, Herr Bürgermeister. … Auf Wieder… – Aufgelegt.« Hinrichs sackte leichenblass in seinem Stuhl zusammen, den Hörer so fest umklammert, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten.
»Alles in Ordnung, Chef? Soll ich Ihnen ein Glas Wasser holen?«, erkundigte sich Olufs ehrlich besorgt, denn so vernichtet hatte er seinen Vorgesetzten noch nie erlebt.
Hinrichs reagierte nicht, also nahm Olufs ihm vorsichtig den Hörer aus der Hand und legte ihn auf die Gabel zurück. Dann ging er zum Waschbecken, ließ ein Glas mit Wasser voll laufen und drückte es Hinrichs in die Hand. Als der immer noch nicht reagierte und nur mit bebenden Lippen dasaß, führte er ihm das Glas an den Mund und ließ ihn kleine Schlucke trinken, bis langsam wieder etwas Leben in die bleichen Wangen des Oberkommissars zurückkehrte.
»Geht’s wieder, Chef?«
»Ja, danke, Jens, danke«, mumelte Hinrichs abwesend.
»Chef, meinen Sie nicht, wir sollten den Flensburgern alles erzählen?«, versuchte Olufs vorsichtig einen Vorstoß.
»Nein! Ich lasse mir hier nicht alles aus der Hand nehmen«, erklärte Hinrichs bestimmt, erhob sich, griff nach seiner Dienstmütze und schlich aus der Wachstube hinaus an die frische Luft.
Olufs schaute ihm nach und schüttelte den Kopf. Dieser
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