Leander und die Stille der Koje (German Edition)
Wiese blickte ihn skeptisch an, weil er genau wusste, worauf diese Frage abzielte, antwortete dann aber gerade heraus: »Das hat er. Er und Brar Arfsten haben es erreicht, dass die Regierung in Kiel mir den Ausbau und den Gastronomiebetrieb untersagt hat.«
»Sie wissen, dass Sie damit ein Motiv für den Mord an Rickmers haben?«
Wieder nickte Günter Wiese mit einem gefährlichen Blitzen in den Augen. »Damals habe ich ihn gehasst, das gebe ich zu. Aber ich habe ihn nicht getötet. Selbst im Kampf für Elmeere ist mir nicht jedes Mittel recht.«
Damit drehte er sich um und eilte voran in Richtung Treppe. Leander begriff in diesem Moment, dass das Feuer, das in Günter Wiese brannte, für den Umweltschutz sicherlich nützlich war. Aber genauso gut konnte es gefährlich sein, wenn es in eine andere Richtung gelenkt wurde oder außer Kontrolle geriet.
13
Folgt man dem Marschweg von Wyk aus an Boldixum vorbei, trifft man am Ortseingang von Oevenum auf die parallel zur Hauptstraße, der Dörpstraat, verlaufende Buurnstraat. Sie ist donnerstags wegen des Bauernmarkts gesperrt, wird an allen anderen Tagen aber von zahllosen Radfahrern bevölkert. Diese kleine Straße ist in ihrem kurvigen Verlauf von reetgedeckten Bauernhäuschen gesäumt, die, umgeben von bunten Bauerngärten, das einzigartige Flair des Dorfes ausmachen. In einer Doppelkurve kurz vor dem Übergang in die Marsch liegen drei Häuser regelrecht in einer Bucht und im Winkel zueinander zusammen. Das mittlere hatte im Frühjahr zum Verkauf gestanden und war von dem umtriebigen Mephisto erstanden worden. Der Galgen mit dem Maklerschild stand noch davor, aber Letzteres war mit einem Aufkleber Verkauft! für ungültig erklärt. Das wirkte auf den ersten Blick nachlässig, konnte aber auch als eine geschickte Strategie des Maklers verstanden werden, der damit die Blicke interessierter Urlauber einfing und auf diese Art selbst nach dem Verkauf des Hauses noch darauf aufmerksam machte, was für Schmuckstücke er gelegentlich in seinem Angebot führte.
Leander und Lena hatten mit ihren klapprigen Fahrrädern aus dem Bestand von Leanders Großeltern Lenas Kollegen Bennings auf dem Rathausplatz getroffen, wo er mit einem Dienstfahrrad der Wyker Polizei auf sie gewartet hatte. Von hier aus waren sie auf besagtem Marschweg nebeneinander her geradelt und hatten sich gegenseitig wegen der Geräusche aufgezogen, die ihre Klapperkisten machten. Das Radfahren hatte eine geradezu befreiende Wirkung auf die drei. Lena und Leander beschlossen, die Insel ausführlich mit den Fahrrädern zu erkunden, sobald Lena ihren Fall abgeschlossen und ihr Urlaub begonnen hatte. Als Leander bei seinem Fahrrad dann die Kette wieder aufziehen musste, nachdem sie knirschend abgesprungen war und sich zu allem Übel auch noch rund um das Tretlager festgefressen hatte, beschloss er unter dem Eindruck seiner ölverschmierten Hände, gleich am Montag neue Räder zu kaufen. Das würde ihm künftig auch die halb belustigten, halb mitleidigen Kommentare anderer ersparen, die seine schmutzige Arbeit fachmännisch begleitet hatten.
Mephistos Bauernhaus war ein weiß gestrichener Backsteinbau aus dem achtzehnten Jahrhundert. Es wurde von einem ebenfalls weiß angestrichenen Holzzaun im friesischen Schwungstil umgeben, unterbrochen durch ein schmales Törchen vor der Haustür und ein breites Gatter vor dem zur Garage umgebauten, seitlich gelegenen Stall. Hinter dem Zaun wuchsen allerlei bunte Stauden. Die drei Besucher stellten ihre Räder vor dem Stall ab und gingen nach hinten in den Garten, aus dem sie Stimmen hörten. Auf einer großen Wiese mit Apfel- und Birnbäumen zwischen Bauernhaus und Gartenhäuschen saß Götz Hindelang neben Tom und Elke Brodersen auf einer groben Holzbank und stieß gerade mit einem Bierkrug mit ihnen an. Neben dem langen Holztisch stand auf einem Hackklotz ein Bierfass. Mephisto eilte mit zwei großen Peddigrohrkörben aus dem Haus in Richtung Gartenhäuschen und verschwand kurz darin, um sofort wieder aufzutauchen, diesmal mit leeren Händen.
Er erblickte die neuen Besucher und rief übermütig: »Herzlich willkommen in meinem Garten Eden!«
Lena, die sie lange nicht mehr getroffen hatten, wurde entsprechend herzlich von allen begrüßt. Dieter Bennings wurde vorgestellt und vorerst von den flotten Sprüchen verschont, die Leander und Lena gleich von Anfang an über sich ergehen lassen mussten.
Eiken kam aus dem Haus, ebenfalls bewaffnet mit zwei Körben, und rief:
Weitere Kostenlose Bücher