Leandra - Die Amazonenprinzessin (German Edition)
zum Reden gab, wäre sie bald tot und ihre Freunde unsagbar traurig. Nein, mit diesen Gedanken durfte sie der Begegnung nicht entgegensehen. Sie war im Recht, und Farina würde eine selbstbewusste Verstoßene zu Gesicht bekommen. Leandras Haltung straffte sich. Timor erschien zwischen den Bäumen.
„Sie kommt“, wiederholte er keuchend, als er bei ihr angelangt war.
„Ich danke dir, Timor, geh jetzt bitte zum Tempel.“
„Leandra, ich kann dich nicht alleine lassen!“
„Farina würde deine Anwesenheit bemerken und das würde meine Glaubhaftigkeit in Gefahr bringen.“
Hilflos starrte er sie an.
„Beeil dich, sie wird gleich hier sein.“
„Pass auf dich auf“, flüsterte er und verließ das Lager.
Hoffentlich geht er wirklich zum Tempel , dachte Leandra, und hoffentlich behalte ich recht.
Plötzlich merkte sie, dass sie nicht mehr alleine war, und sie hörte die vertraute Stimme hinter sich: „Ich bin gekommen, um Rache zu fordern. Kämpfe, wenn dir dein Leben etwas wert ist.“
Etwas sauste durch die Luft und zitternd blieb der Dolch im Baum neben ihr stecken. Unzählige Gefühle durchfluten Leandra, am stärksten war der Wunsch, sich Farina in die Arme zu werfen, aber dafür war nicht der richtige Zeitpunkt. Leandra wandte Farina das Gesicht zu.
„Wenn du die Schuldige suchst, hättest du Tehuna nicht verlassen brauchen.“
Farina schien einen Augenblick verwirrt, dann sagte sie: „Nimm den Dolch.“
„Willst du mit der Mörderin oder mit mir kämpfen?“
Leandra zog den Dolch aus dem Baum und achte darauf nur die Klinge zu berühren. Langsam trat sie auf Farina zu, die Dolchspitze zeigte auf sie selbst.
„Gehe zum Orakel und du wirst meine Worte begreifen.“
„Denkst du, ich gäbe dir Gelegenheit, davon zu laufen? Nein, diesmal wirst du dich stellen.“
Leandra schüttelte den Kopf und überwand die letzten Schritte, die sie trennten. Sie musste den Kopf heben, um Farina in die Augen zu sehen.
„Ich werde auf dich warten, so wie ich die letzten fünf Tage auf deine Ankunft gewartet habe. Hältst du mich für so dumm, dass ich mich lange an einen Ort aufhalte, von dem es kein Entkommen gibt?“
Farina erwiderte lange ihren Blick.
„Schwöre, dass du hier warten wirst, bis ich zurückkehre.“
„Ich schwöre es.“
Farina ging, und nach einer Weile tauchten Adain und Timor auf.
„Farina ist in den Tempel gegangen“, berichteten sie. „Demnach ist es gut gelaufen?“
„Ich weiß nicht, ob das Orakel ihr das Gleiche zeigen wird wie mir.“
Als Farina zurückkehrte, waren ihre Augen leer, und Leandra wusste, dass die Gefahr vorüber war. Sie musterte Adain und Timor.
„Euch habe ich vor dem Tempel gesehen.“
„Die beiden sind meine Freunde“, erklärte Leandra. „Adain und sein Sohn Timor.“
Mit einem Schulterzucken tat die Amazone die Begrüßung ab und sah sie an.
„Ich bitte dich um Vergebung, nun müssen wir etwas gegen Akrissa unternehmen.“
„Wir?“ wiederholte Leandra.
„Natürlich, oder willst du die Mörderin deiner Mutter davonkommen lassen?“
Leandra konnte den Zorn Farinas verstehen, sie jedoch spürte nur Trauer.
„Leandra, sag etwas! Du bist die rechtmäßige Thronfolgerin!“
„Ich bin eine Verstoßene, weil alle Amazone denken, was du dachtest. Sie werden niemals anerkennen, was ein fremdes Orakel dir gesagt hat. Akrissa würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass du Isen verraten hast.“
Einen Moment schwieg Farina.
„Wir haben unseren eigenen Seher.“
„Enos ist tot.“
„Woher weißt du das?“
„Er hat mir in der Nacht, in der ich verstoßen wurde, gesagt, dass er sterben wird.“
„Das ist sehr traurig, ich weiß, wie sehr du ihn geliebt hast, aber der neue Seher-“
„Es gibt keinen, denn Enos starb nicht eines natürlichen Todes. Wir denken, dass Akrissa daran schuld ist.“
„Warum sollte sie das tun?“
Timor trat vor.
„Weil sie mich ermorden lassen wollte, und er uns vor ihr warnte, sodass ich Iben und ihren Amazonen entkommen konnte.“
„Und was hast du getan?“
„Nichts, von dem ich wüsste, ich bin nur ihr Sohn.“
Farina verschränkte die Arme und schüttelte den Kopf.
„Akrissas Verhalten ist völlig undurchsichtig. Wieso hat sie das alles getan?“
„Amazonen sind normale Menschen, und Menschen handeln auch aus Ehrgeiz oder Machtgier.“
„So eine Frau darf nicht Königin der Amazonen sein.“ Farina schritt auf und ab. „In einem Zweikampf könnte ich sie besiegen und töten. Leider offenbart das weder ihre Schande noch beweist
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