Leaving Paradise (German Edition)
Präsidentin
Internationales Schüleraustauschprogramm
Universität von Barcelona, Spanien
Als mein Verstand die Worte Stipendium zurückgezogen begreift, ist mein Lächeln auf der Stelle wie weggewischt.
»Ich kann nicht fahren«, flüstere ich. Mom hat Überstunden machen müssen, nur um mir ein Juicy-Couture -Outfit für einhundert Dollar kaufen zu können. Wir werden auf keinen Fall über viertausend Dollar aufbringen können. Ich presse meine Augenlider zu. Das darf nicht sein. Nicht jetzt. Meine Hände beginnen wieder zu zittern. Ich spüre, wie sie beben, als ich die Hände über die Augen lege.
Als meine Mom am Abend von der Arbeit nach Hause kommt, halte ich ihr den Brief hin.
»Okay, keine Panik«, sagt sie, nachdem sie ihn gelesen hat. »Es muss einen Weg geben, wie wir das hinbekommen.«
»Mom, es hat nicht mal Sinn, darüber nachzudenken. Wir haben diese Menge Geld einfach nicht.«
»Mein Boss lässt mich vielleicht noch mehr Überstunden machen. Lass mal sehen …« Sie nimmt sich einen Zettel und beginnt Zahlen darauf zu kritzeln.
»Mom, vergiss es.«
»Warte. Sechzig Stunden die Woche Minimum, manchmal siebzig … und wenn ich Thanksgiving arbeite und mein Weihnachtsgeld drauflege …«
»Mom!«
Sie hört auf zu rechnen und sieht mich an. »Was ist?«
»Hör auf zu rechnen, hör auf zu versuchen, alles in Ordnung zu bringen … hör einfach auf.«
Ich bin auch so schon deprimiert genug, da muss ich nicht noch mitansehen, wie sie versucht, sich für mich umzubringen. Ich werde eine Lösung finden. Aber das ist mein Problem, nicht ihrs.
Das Telefon klingelt. Es ist Mr Reynolds, der meiner Mom sagt, sie hätte ihren Gehaltsscheck auf der Arbeit vergessen. Jetzt muss sie noch einmal hin und ihn holen. »Komm mit mir, Maggie.«
»Ich habe keine Lust.«
»Ach, komm schon. Ich habe gesehen, wie Irina heute Nachmittag ein paar neue Kuchen gebacken hat. Kuchen muntert dich immer auf.«
Irina ist eine der Köchinnen im Diner. Sie probiert gerne ihre Kuchenkreationen an mir aus, ehe sie sie auf die Karte setzt. Irinas Kuchen sind einer der Gründe, wieso ich im letzten Jahr zugenommen habe.
Als Mom den Kuchen erwähnt, gebe ich nach. Wenn es je einen Moment gegeben hat, an dem ich die Aufmunterung von Kuchen gebrauchen konnte, ist es dieser hier.
»Heute Abend ist hier ja die Hölle los«, sagt Mom zu Mr Reynolds, als er ihr den vergessenen Gehaltsscheck in die Hand drückt.
Mr Reynolds, der normalerweise immer so gelassen ist und alles unter Kontrolle hat, scheint leicht panisch. »Heute ist der Bowlingabend der Männermannschaft«, erklärt er. »Sie sind gerade zur Tür rein und Yolanda ist vor zehn Minuten nach Hause gegangen, weil sie krank geworden ist.«
Es drängen sich ungefähr dreißig hungrige Männer um die Tische und ich sehe nur Tony, den neuen Kellner, der noch verstörter guckt als Mr Reynolds.
Mom klopft ihrem Boss auf die Schulter. »Falls Sie Hilfe brauchen, bin ich sicher, Maggie würde es nichts ausmachen, wenn ich ein wenig bliebe.«
Mr Reynolds lächelt. »Wirklich? Das wäre fantastisch.«
»Kein Problem.«
»Sie sind die beste, Linda. Ich schulde Ihnen was.«
Mom verdreht neckend die Augen, als sie hinter dem Tresen verschwindet, um sich eine Schürze umzubinden. »Sie schulden mir mehr als einen Gefallen, Lou, aber wir können das später diskutieren.«
»Ganz wie Sie möchten«, sagt er. Dann eilt er davon, um neue Gäste zu begrüßen, die soeben zur Tür hereingekommen sind.
Mum flitzt zu der großen Gruppe, um Tony dabei zu helfen, die Bestellungen aufzunehmen, während ich ihr etwas langsamer mit einem Krug folge und allen Wasser eingieße.
Nachdem ich das Wasser ausgeschenkt habe, weist Mom mich an, in einer Ecke Platz zu nehmen. Ich hole das Buch über Spanien aus meiner Tasche und betrachte es sehnsüchtig. Wenn wir nur so reich wie Kendras Eltern wären, dann könnte ich nach Spanien gehen. Selbst wenn wir nur so viel Geld hätten wie Calebs und Leahs Eltern, könnten wir es uns wahrscheinlich leisten, ohne darüber nachdenken zu müssen. Ihr Dad ist Kieferchirurg und hat so ziemlich jeden Einwohner von Südwestillinois als Patienten.
Es sind Tage wie dieser, an denen ich mir wünsche, meine Eltern hätten sich nicht scheiden lassen. An denen ich mir einrede, ich hätte die ständig drohenden Streitereien, das Gebrüll und die Wut vergessen. Mom sagt, sie hätten sich einfach auseinandergelebt, während er auf Geschäftsreisen ging und sie zu
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