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Leaving Paradise (German Edition)

Leaving Paradise (German Edition)

Titel: Leaving Paradise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Elkeles
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verbergen, dass ich ihre Unterhaltung belauscht habe.
    »Maggie, das ist meine Mutter«, verkündet Mr Reynolds. »Mom, das ist Lindas Tochter Margaret. Alle nennen sie Maggie.«
    Ich lächle und strecke die Hand aus. »Schön Sie kennenzulernen, Mrs Reynolds. Sind Sie die Auntie Mae?«
    Die alte Dame ergreift meine Hand und schüttelt sie. »Liebes, Mae war der Name des ersten Hundes meines Sohnes.«
    Das gibt’s doch nicht! Ich gucke Mr Reynolds an, damit er es bestätigt. Er lächelt verschämt.
    »Es stimmt«, flüstert er. » Schhh, es ist ein Geheimnis. Wenn die Stadt herausfindet, dass ich mein Restaurant nach einem Hund benannt habe, ist hier innerhalb von einer Woche tote Hose.«
    Das bezweifle ich stark. Auntie Mae’s ist fast jeden Abend brechend voll. Außerdem befindet sich im Umkreis von zehn Meilen kein weiterer Diner.
    »Ich wusste gar nicht, dass Linda eine Tochter hat. Wie alt sind Sie, Margaret?«, fragt sie und ignoriert die Tatsache, dass ihr Sohn ihr erzählt hat, alle würden mich Maggie nennen.
    »Siebzehn. Aber sagen Sie doch bitte du.«
    »Sie hat gerade ihr Seniorjahr an der Highschool begonnen, Mom«, verkündet Mr Reynolds lautstark, als sei seine Mutter schwerhörig. »Und sie geht im Januar nach Spanien in die Schule. Warum setzt du dich nicht zu ihr und lässt dir alles darüber erzählen? Ich gehe in die Küche und sorge dafür, dass Irina dir etwas zu essen macht.«
    »Sag ihr, sie soll nichts zu Gesundes machen«, befiehlt Mrs Reynolds, bevor sie mir gegenüber Platz nimmt. Sie guckt auf meinen Teller. »Lou, sag Irina, sie soll mir auch ein großzügiges Stück von dem Kuchen abschneiden.«
    Ich glaube nicht, dass Mr Reynolds ihre letzte Bitte gehört hat, oder vielleicht will er auch nur, dass sie meint, er habe sie nicht gehört.
    Die alte Dame stellt ihre Handtasche neben sich auf die Sitzbank und sieht mich an. Sie lächelt nicht, sie runzelt nicht die Stirn. Sie neigt den Kopf zur Seite, als wolle sie versuchen herauszufinden, welche Gedanken mir gerade durch den Kopf gehen. »Warum möchtest du unbedingt aus Paradise weg?«, fragt sie, beinah so, als könne sie tatsächlich meine Gedanken lesen.
    »Ich möchte es einfach«, sage ich in der Hoffnung, dass sie es dabei belässt.
    Sie schnalzt missbilligend. »Wenn du nicht darüber reden möchtest, sag es einfach. Es bringt nichts, um den heißen Brei herumzureden.«
    Bis jetzt war ich emsig beschäftigt, den Nagellack von meinen Fingernägeln zu piddeln. Aber ich höre damit auf und sehe Mrs Reynolds an. »Ich möchte nicht darüber reden.«
    Die alte Dame klatscht in die Hände. »Schön. Wenn du nicht darüber reden möchtest, werden wir nicht darüber reden.«
    Das einzige, was zwischen mir und dieser Frau steht, ist der Kuchen, den ich habe und den sie will. Unangenehmes Schweigen. Es ist nicht so, dass ich unhöflich sein will. Ich möchte nur einfach nicht in Worte fassen, wie sich in meinem Leben eine Enttäuschung an die nächste reiht. Es ist beinah, als folge das Unglück mir auf dem Fuße und als wäre ich verflucht. Wenn ich nur wüsste, wie ich den Fluch brechen könnte …
    »Ich bin überzeugt, du hast Gründe dafür, nicht darüber reden zu wollen. Ich kann mir nicht vorstellen, was diese Gründe sind, aber wahrscheinlich tust du besser daran, zu schweigen und vor dich hin zu brüten, als mit jemandem darüber zu reden, der nichts Besseres zu tun hat, als dir zuzuhören.«
    Ich schiebe mir eine weitere Gabel voll Kuchen in den Mund und halte den Blick auf den Salzstreuer am Ende des Tisches gerichtet.
    »Möchtest du Salz?«, fragt Mrs Reynolds, die nur zu gut weiß, dass mich nicht der Wunsch nach Salz beschäftigt.
    »Sie haben mein Stipendium zurückgezogen«, platze ich heraus. Dann gucke ich die alte Dame an, die mir gegenüber sitzt.
    Sie guckt nicht mitleidig, wie ich es erwartet hatte. Sie sieht irgendwie … na ja, wütend aus. »Und warum sollten sie so etwas tun?«
    Ich nehme mir Zeit mit Kauen und Schlucken, dann hebe ich den Blick. Mrs Reynolds hat ihre kleinen Hände auf dem Tisch gefaltet und sieht mich unverwandt an, während sie auf eine Antwort wartet.
    »Ich hatte mich um ein Sportstipendium beworben, aber jetzt bin ich in keiner Mannschaft mehr, daher ist es zurückgezogen worden. Ich könnte immer noch nach Spanien gehen, aber jetzt müsste ich für das Schulgeld aufkommen, und das können wir uns nicht leisten.«
    Sie nickt mit dem Kopf, atmet langsam aus und lehnt sich dann zurück.

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