Leaving Paradise (German Edition)
es aus der Nähe noch einmal zu durchleben. Ich steige aus dem Auto und gehe hinüber zu den verblassenden Spuren. Ich starre sie eine gefühlte Ewigkeit an. Werden sie irgendwann ganz verschwinden, sodass die einzigen physischen Erinnerungen an den Unfall diejenigen sein werden, die ich am Körper trage?
Ich kenne jedoch die Wahrheit. Dass die sichtbaren Narben nicht so tief sind wie die emotionalen, mit denen Leah und Caleb zu kämpfen haben. Ich verspüre den brennenden Wunsch, ihnen zu helfen, genau wie Caleb mir geholfen hat. Das Wichtigste, das ich in den vergangenen Monaten gelernt habe, ist, dass Freunde von unschätzbarem Wert sind. Menschen, die man liebt, helfen einem, selbst die schwersten Zeiten durchzustehen. Sie brauchen mich ebenso wie ich sie brauche. Ich vermisse Leah als meine Vertraute, meine beste Freundin. Und die Liebe, die ich für Caleb empfinde, ist die für immer und ewig währende, die nie enden wird, egal wie sehr ich versuche, es zu leugnen.
»Maggie.«
Ich drehe mich um. Caleb sitzt in einem schwarzen Toyota, am Steuer sitzt ein Typ, den ich nicht kenne. Caleb bittet den Kerl, den Wagen anzuhalten, dann kommt er zu mir. Er sieht traurig und einsam und ratlos aus.
»Wie sind wir hier gelandet?«, frage ich.
»Hier hat alles angefangen.«
»Ich habe nicht angerufen und mich über dich beschwert«, sage ich hastig. »Heute Morgen standen diese Ermittler vor unserer Tür und haben gesagt, sie gingen einer Beschwerde nach, die ich gemacht hätte, und ich habe beteuert, nie eine gemacht zu haben, und dann ist mir klar geworden, dass du gedacht hast, ich hätte, und dann …«
Caleb legt einen Finger an meine Lippen, um mein Geblubber zu unterbrechen. »Es spielt keine Rolle.«
»Tut es wohl. Und ich vertraue dir. Ist das nicht das Entscheidende zwischen uns? Vertrauen und Ehrlichkeit.«
Ich muss ihm beweisen, ihm ein Zeichen geben, dass ich ihm vorbehaltlos vertraue. Mit einer Hand ziehe ich mein linkes Hosenbein hoch und enthülle sämtliche Narben bis hinauf zu meinem Knie.
Seine Augenbrauen sind gerunzelt, als leide er Schmerzen, als wäre er derjenige gewesen, der mein Bein dergestalt versehrt hat. Ich nehme seine Hand in meine und zusammen ziehen wir die geschwollenen Linien mit unseren Fingern nach. »Siehst du, es gibt nichts mehr, das ich vor dir verbergen möchte. Geht es dir auch so, Caleb? Keine Geheimnisse, keine Lügen?« Ich muss von ihm die Wahrheit über das hören, was in jener Nacht passiert ist. Ich muss es aus seinem Mund hören, mit seinen eigenen Worten. Sag mir, dass du mich nicht angefahren hast, möchte ich ihn auffordern. Sag mir die Wahrheit.
»Hey, amigo , vamónos ?«, ruft der Typ aus dem Auto.
»Wer ist das?«
»Rio.«
Ich mache mir Sorgen. »Ich meine, wer ist er?«
»Das willst du gar nicht wissen, Maggie«, sagt Caleb. »Hör zu, ich muss los.«
Ich blicke hoch in sein wunderschönes Gesicht, auf dem sich widerstreitende Gefühle spiegeln. Und im selben Moment weiß ich, dass er niemals das Geheimnis preisgeben wird, das er vor mir zurückhält. Dieser starke, beschützende Charakterzug gehört zu ihm, es ist ein Band, das er nicht zerreißen kann.
»Wo gehst du hin? Wann kommst du wieder?«
»Ich komme nicht mehr zurück.«
Als ich in seine ernsten, traurigen Augen blicke, weiß ich, dass er meint, was er sagt. Meine Augen füllen sich mit Tränen, die meine Wangen hinunterlaufen. »Du kannst mich nicht verlassen. Nicht jetzt.« Ich möchte betteln und flehen und weinen und ihn festhalten, bis er seine Meinung ändert. Ich möchte heute und morgen und jeden anderen Tag mit ihm Tennis spielen.
Er wischt mit seinen Fingern sanft die Tränen weg. »Dann komm mit mir.«
Die Seiten haben sich auf grausame Weise verkehrt. Ich sage zu ihm: »Mir ist klar geworden, dass du recht hattest. Es wäre feige zu gehen. Ich werde bis zu meinem Abschluss in Paradise bleiben und das Geld, das Mrs Reynolds mir gegeben hat, fürs College sparen.«
»Becker, kommst du jetzt oder nicht?«, ruft der Typ im Auto.
Caleb nickt und sagt: »Ich komme gleich.«
Ich lehne mich vor und lege meine Stirn an seine. »Sag mir, was wir hatten war echt«, flüstere ich. »Bitte.«
Calebs Hände umfangen meinen Kopf sanft und schließen uns in unserer eigenen privaten Welt ein. »So echt, wie es nur geht. Stell das nie infrage, egal, was geschieht. Okay?«
»Im Moment stelle ich alles infrage. Wieso bin ich überhaupt hergekommen?«
»Weil du bereit bist, ein neues
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