Leb wohl, liebes Hausgespenst!
Gouverneur der Bermudas. Er kam mit einer Gruppe von siebzig Anhängern, die ein neues Leben beginnen wollten. Heute würde man sie wohl Aussteiger nennen. Sie nannten ihre Insel Eleuthera nach dem griechischen Wort Eleuthria, was Freiheit heißt, und gründeten eine Kolonie, die sie die ‚Gesellschaft der eleutherianischen Abenteurer’ nannten.“
„Lustig“, sagte Monika mit vollem Mund.
„Ein paar Jahre später wurde dann hier auf New Providence…“ Herr Stein unterbrach sich. „Wißt ihr überhaupt, was dieser Name bedeutet?“ Er sah sich fragend um und gab sich dann selber die Antwort: „Neue Vorsehung.“
„Die Leute scheinen damals ziemlich fromm gewesen zu sein“, stellte Monika fest.
„Ja, auf ihre Weise. Die Könige waren fest überzeugt, ihre Macht von Gottes Gnaden zu haben und daß die ganze Welt sozusagen ein großer Kuchen war, den sie unter sich aufteilen durften.“
„Kolonialismus!“ warf Norbert ein.
„Du hast es erfaßt. Die Europäer fanden damals gar nichts dabei, fremde Länder zu erobern und fremde Menschen zu unterwerfen. Da sie Christen waren, hielten sie das für ihr gutes Recht. So ließ Charles der Zweite von England genau dort, wo jetzt Nassau ist, eine offizielle Kolonie gründen, die Charles Town genannt wurde.“
„Wer lebte denn vorher auf den Inseln?“ wollte Ingrid wissen.
„Niemand mehr. Die Indianer waren von den Spaniern schon ausgerottet worden. Übrigens gibt es noch heute eine ganze Anzahl unbewohnter Inseln der Bahamas.“
„So eine müßte man haben!“ meinte Norbert.
Monika fragte: „Und wo kommen dann die Schwarzen her? Ich meine, die Bevölkerung ist doch wohl hauptsächlich schwarz.“
„Fünfundachtzig Prozent!“ gab Herr Stein Auskunft. „Sie wurden zu Tausenden als Sklaven Anfang des achtzehnten Jahrhunderts aus Westafrika hergebracht. Man versuchte mit ihrer Hilfe Baumwolle und Zuckerrohr anzupflanzen. Aber der Erfolg war mäßig. Ende des Jahrhunderts wanderten weitere Schwarze zusammen mit Siedlern aus Nordamerika hin... umgekehrt ist es natürlich richtiger: die Siedler brachten die Schwarzen mit. Gemeinsam gründeten sie große Plantagen und machten das Land fruchtbar. Aber schon vorher, Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, waren die Bahamas zum Hauptumschlagplatz für den Handel mit Negersklaven geworden. Möglich, daß der eine oder andere fliehen konnte und seine Nachfahren heute auch zur Bevölkerung gehören.“
„Gemeinheit!“ rief Monika. Als sie alle Augen auf sich gerichtet sah, fügte sie erklärend hinzu: „Nicht, daß jemand fliehen konnte, sondern der Sklavenhandel überhaupt!“
„Daran besteht wohl kein Zweifel. Das Halten von Sklaven wurde übrigens schon am siebten August 1834 vom englischen Parlament verboten. Seitdem wird der siebte August als Befreiungstag gefeiert.“
„Das ist ja alles sehr lehrreich...“ nörgelte Norbert, der fertig mit seinem Frühstück war und am liebsten schon aufgestanden wäre.
Ein Blick seines Vaters brachte ihn zum Schweigen.
„Ich finde es interessant!“ sagte Monika rasch, damit Herr Stein sich nicht ärgerte.
„Ja, die Geschichte der Bahamas ist tatsächlich interessant!“ stimmte ihr Herr Stein erfreut zu. „Interessant und abenteuerlich. Im 18. Jahrhundert wurden die Inseln von allen Seefahrern, besonders von den spanischen, gefürchtet. Könnt ihr euch denken, warum?“
„Vielleicht gab’s Riffe?“ schlug Ingrid vor.
„Ja, das auch. Aber gefährlich wurden die nur, weil es Brauch war, falsche Leuchtfeuer zu setzen und so die Schiffe auflaufen zu lassen. Sie wurden dann ausgeplündert, und zwar, ihr werdet es nicht glauben, ganz legal. Shipwrecking nannte man das.“
Jetzt war auch Norbert beeindruckt und starrte seinen Vater mit offenem Mund an. „Das scheint hier ja wirklich eine tolle Gegend zu sein!“ sagte er.
„Ja, und ein Jahrhundert früher, von 1684 bis 1717 wurden die englischen Kolonien auf den Bahama-Inseln zum Hauptquartier der Piraten, die die karibischen Gewässer und vor allem die spanischen Besitzungen unsicher machten.
Da gab es ganz berühmte und berüchtigte Piraten, Blackbeard zum Beispiel, dessen richtiger Name Teach war, und Calico Jack, der eigentlich Rackham hieß. Auf den Bahamas trieben auch weibliche Piraten ihr Unwesen, die Engländerinnen Mary Read und Anne Bonny. Das sind die einzigen Frauen, die als Piraten bekannt geworden sind.“
„Weibliche Piraten!“ rief Monika. „Befehligten die Männer?“
„Ja, ich
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