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Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)

Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)

Titel: Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Düringer , Clemens G. Arvay
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Verbindung zwischen ihnen entsteht. Genauso haben sich die Menschen ihre Autos nach Charaktereigenschaften ausgesucht. „Dieser Wagen passt zu meinem Charakter.“ Oder: „Das ist eher ein sportlicher Typ, so wie ich“, weshalb vermutlich ein roter Italiener gekauft wurde. Französische Fabrikate waren eher verspielt, zart, fast zerbrechlich, aber dafür sehr bequem, weich gefedert, wohnzimmerartig. Man konnte in ihnen dahingleiten. Italienische Autos waren hart gefedert und hatten kleine, dicke Lenkräder. Deutsche galten als zuverlässig. Man suchte sich ein Auto, das zum eigenen Wesen passte. Das ist heute ja nicht mehr möglich, da alle Autos gleich aussehen, ob nun von Peugeot, Toyota oder Volkswagen. Sie werden inzwischen oft sogar in denselben Werken gefertigt.
    Ich hatte im Laufe meines Lebens so viele Autos, dass ich heute gar nicht mehr genau weiß, welche das waren. Das ist verrückt, oder? Jedenfalls hatte ich immer ein Alltagsauto und dieses diente dann, wie bei vielen anderen auch, meiner Mobilität. Man steigt ins Auto ein und ist plötzlich mobil. Und dabei verwandelt man sich auch selbst, denn wenn man im Auto sitzt, ist man automatisch ein Autofahrer. Im Auto ist man gewissermaßen kein Mensch mehr, sondern funktioniert ganz anders: Kein Fußgänger würde zum Beispiel einem anderen auf dem Gehweg am Hintern kleben und sagen: „Mach weiter, geh schneller!“ Auf der Autobahn passiert das. Dort fahren die Leute dem Vorderen knapp auf und blinken ihn mit den Lichtern an.
    Ich kam pro Jahr auf circa 50.000 Kilometer oder mehr, weil ich mit dem Auto auch auf Tournee fuhr. Dabei war es natürlich eine feine Abwechslung, immer wieder in einem anderen Auto zu sitzen. So kaufte und verkaufte ich regelmäßig Autos, um mein Glücksgefühl wieder ein bisschen nach oben schnellen zu lassen. Irgendwann fing das Autofahren aber an, mir zur Belastung zuwerden. Es ging mir wirklich gegen den Strich, mit dem Auto Kilometer zu fressen: Dieses ständige Drinnensitzen! Die Kreuzschmerzen, die vielen Staus … Das wurde mir alles unangenehm. Ich dachte oft über das Autofahren nach und lernte dann Hermann Knoflacher kennen, den Verkehrsexperten und Automobilkritiker. Eines seiner Bücher nennt sich „Virus Auto“, ein anderes „Zurück zur Mobilität“. Ich gestaltete gemeinsam mit ihm einen Abend zum Thema „Auto“.
    Ich wurde damals von einer Bürgerinitiative gegen eine Schnellstraße in Niederösterreich als Prominenter eingeladen, um auf einer ihrer Veranstaltungen aufzutreten. Ich schlug vor, auch Hermann Knoflacher einzuladen, der genau der richtige Mann gewesen wäre, da er seit den Siebzigerjahren nichts anderes tat, als Lebensräume für Menschen zu planen und dafür zu kämpfen, die Autos aus den Städten zu verbannen, damit die Stadt wieder den Menschen gehört. Die Bürgerinitiative wollte das aber nicht. Sie empfanden Hermann Knoflacher als zu radikal. Sie getrauten sich nicht, ihn einzuladen. Seltsam oder? Die Veranstaltung fand dann ohne Hermann und auch ohne Düringer statt.
    Stattdessen trat ich mit Hermann Knoflacher gemeinsam in einem Kabarettlokal auf, in dem wir an einem Abend gemeinsam über Autos philosophierten. Wir nannten den Vortrag „Benzinbrüder Reloaded“. Viele Zuseher kamen, weil sie dachten, es handelte sich um den zweiten Teil meines Programms „Die Benzinbrüder“. Als wir aber dann über andere Dinge sprachen – nämlich über die Probleme, die Autos in unserer Gesellschaft ausgelöst hatten – waren einige im Publikum sehr überrascht und auch enttäuscht, wie ich zugeben muss. Die Erwartungshaltung war natürlich eine gänzlich andere. Vielleicht zählen solche Entscheidungen zu den etwas mutigeren in meinem Leben. Das Publikum bewusst vor den Kopf zu stoßen hat natürlich schon etwas von beruflichem Harakiri. (lacht)
    Seit dieser Zeit stehe ich in Kontakt mit Hermann Knoflacher und habe durch ihn einen ganz anderen Blick auf die Automobilität entwickelt. Ich nehme die Welt wieder als Fußgänger wahr und nicht als Autofahrer. Wenn du als Fußgänger durch eine Stadt gehst, bekommen Autos eine ganz andere Bedeutung für dich. Sie werden zum Störfaktor, zur Belästigung und zur Einschränkung der persönlichen Freiheit.
    Bis ich 16 Jahre alt war, war es für mich völlig normal, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Kaum hatte ich ein Moped, ein Mofa, stieg ich nicht mehr in die Straßenbahn oder in die U-Bahn ein. Nur mehr in Notsituationen fuhr ich mit

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