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Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)

Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)

Titel: Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Düringer , Clemens G. Arvay
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Information oder Eindrücken, die einer anderen Person nur introspektiv – also in ihrem Inneren – zugänglich sind, gelegentlich leicht über der Zufallsquote beim Raten, erreichen aber niemals ein signifikantes Niveau, ab dem man schlussfolgern könnte, es gäbe so etwas wie die Fähigkeit zur gezielten oder absichtlichen telepathischen Kommunikation 8 .
    Roland Düringer: Ich bin bei solchen Dingen auch ein wenig vorsichtig. Wenn wir an eine uns nahestehende Person denken und in diesem Moment ruft sie an, könnten wir uns auch fragen: „Wie oft habe ich schon an sie gedacht, und sie hat mich nicht angerufen?“ Gerade deswegen, weil solche Dinge eher mit nahestehenden Personen passieren, mit denen man häufig kommuniziert, ist eben auch die Chance viel höher, dass du zufällig gerade dann an den Menschen denkst, wenn er anruft. Solche Zufälle passieren, aber man kann sie auch als telepathische Verbindungen deuten.Vielleicht gibt es tatsächlich so etwas wie Telepathie, vielleicht aber auch nicht. Das ist relativ bedeutungslos.
    Wir können ohnehin immer nur von unserem aktuellen Wissensstand ausgehen. Wir haben keine Ahnung, was noch alles zu entdecken sein wird oder eben nicht. Wir wissen es nicht. Auch, wie wir in Zukunft kommunizieren werden, wissen wir nicht.
    Da ich ja jetzt mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs bin, kann ich Menschen häufig beim Kommunizieren beobachten. Wenn du in der U-Bahn sitzt oder an der Straße entlanggehst, hat sicher irgendjemand irgendein Gerät in der Hand und entweder spricht er hinein oder er drückt darauf herum, schreibt eine SMS oder eine E-Mail, oder hat lärmende Knöpfe im Ohr. Ich empfinde es als eine schräge Situation, wenn man in einen Raum kommt, in dem alle mit irgendjemandem kommunizieren, nur nicht mit den anderen, die sich in dem Raum aufhalten. Sie hängen am Telefon und jeder ist praktisch von der realen Welt abgetrennt. So etwas ist doch ein wenig traurig, oder? Es wäre doch das Einfachste der Welt, in der U-Bahn mit den Menschen zu kommunizieren, die auch wirklich dort sind.
    Wir wollen also kommunizieren, getrauen es uns aber nicht mehr von Angesicht zu Angesicht, weshalb wir diese Prothese – diese Kommunikationsprothese – benötigen, die wie „Mobiltelefon“ oder „Handy“ nennen.
    Mit dieser Kommunikationsprothese vergessen die Menschen aber oft, dass sie sich in einem Raum mit anderen Menschen befinden. Dasselbe Phänomen beobachten wir im Auto. Wenn du in dein Auto einsteigst, machst du die Türen zu, stellst vielleicht noch das Radio an, dann bist du in deinem privaten Raum. Du hast aber lediglich das Gefühl der Privatheit und dieses Gefühl betrügt dich, da ja viele Leute in dein Auto hineinsehen. Dennoch verhalten wir uns im Auto so, als wären wir privat, also so, als wären wirunbeobachtet. Manche bohren dann in der Nase oder schminken sich, furzen in den Sitz, oder was auch immer. Beim Telefonieren im Auto geschieht genau dasselbe. Aber nicht nur im Auto, auch auf der Straße scheint uns unser Handy unsichtbar und unhörbar zu machen. Mitten im öffentlichen Raum, vermeintlich unbeobachtet, werden zum Beispiel übers Telefon Konflikte ausgetragen und dabei wird wild gestikuliert. Alleine diese Vorstellung wäre für mich in den 1970er-Jahren, als ich ein Kind war, vollkommen absurd gewesen. Wenn die Leute damals in eine Telefonzelle gingen, wollten sie auf keinen Fall, dass jemand von ihren Gesprächen etwas mitbekommt. Öffentliche Telefonzellen waren mit Türen versehen, die man beim Telefonieren hinter sich verschloss. Ich erinnere mich an die schweren Flügeltüren, die nach dem Betreten automatisch zufielen, schwerfällig und laut. Es handelte sich um schallgedämpfte Räume, aus denen andere Menschen, die davorstanden und warteten, nichts hören oder verstehen konnten. Später baute man diese weitaus kostengünstigeren Kuppeln aus Plexiglas rund um die öffentlichen Telefone. Auch diese dienten noch als Schallschutz. Zu Zeiten der Telefonzelle war es unvorstellbar, dass jemand deinem Privatgespräch einfach zuhört. Das Gesprochene ging niemanden auf der Welt etwas an. Heutzutage ist uns das vollkommen egal.
    Jede Befindlichkeit wird sofort am Telefon mitgeteilt und man hat kaum mehr Hemmungen, Privates vor unzähligen Ohren auszutragen, wie zum Beispiel in der U-Bahn. Beim SMS -Schreiben ist es genau dasselbe: Es kann dir jeder über die Schulter sehen und mitlesen, was du da tippst.
    Während das Auto ein Teil

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