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Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)

Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)

Titel: Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Düringer , Clemens G. Arvay
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ich ganz genau, dass es nicht meines ist, während andere nervös in ihren Taschen kramen. Es kommt außerdem kaum mehr vor, dass jemand verspätet auftaucht, wenn wir einen Zeit- und Treffpunkt vereinbart haben. Wenn man sich mit jemandem trifft, der mobil nicht erreichbar ist, muss man sich an die Vereinbarungen halten. Man kann nicht eine Viertelstunde davor anrufen: „Ich bin gerade noch hier oder dort, ich erledige noch schnell dieses oder jenes.“
    Heutzutage fallen durch das Mobiltelefon auch die Verbindlichkeiten weg. Man weiß ja, dass man jederzeit von unterwegs anrufen kann, wenn man sich verspätet. Es gibt kaum mehr Notwendigkeit, pünktlich zu sein.
    Wenn ich nicht zu Hause bin, erreicht man mich nur zeitverzögert, das heißt, man kann auf meinem Anrufbeantworter eine Nachricht hinterlassen. Diesbezüglich hatte ich die Befürchtung, dass der Anrufbeantworter jeden Tag vollgeschwafelt sein wird. Das ist er aber nicht. Manchmal schalte ich ihn auch einfach aus. Wenn ich zum Beispiel mehrere Tage mit dem Motorrad unterwegs bin, ist es nicht mehr sinnvoll, nach meiner Rückkehr 25 Nachrichten anhören zu müssen.
    Clemens G. Arvay: Kommunikationsexperten beobachten, wie durch die massive Nutzung von sms – also von reinen Textnachrichten – auch die Sprache leidet, die Ausdrucksform, die Rechtschreibung. Dies soll vor allem für Jugendliche gelten. SMS -Nachrichten werden ja häufig auf eine Weise geschrieben, die gegen alle Regeln des sprachlichen Ausdrucks verstößt. Es steht die Befürchtung im Raum, dass dadurch auch die gesprochene und geschriebene Sprache in anderen Lebenssituation beeinträchtigt wird.
    Roland Düringer: In diesem Punkt versuche ich, etwas gnädiger zu sein. Meine Tochter ist zwölf Jahre alt und wenn ich so spreche, wie es mir in die Wiege gelegt worden ist, also im Dialekt, dann versteht sie mich nicht. Obwohl ich nicht aus irgendeinem abgeschiedenen Dorf in Vorarlberg komme, sondern Wiener bin, versteht mich meine Tochter, die in Wien zur Schule geht, nicht.
    Ich glaube, das liegt auch daran, dass sie mit der Sprache aus TV und Radio aufwächst, mit der Sprache des Internets. Das heißt, meine Tochter spricht eigentlich Hochdeutsch mit leichtösterreichischer Färbung, aber viele Worte, die sie benutzt, gibt es in meinem Sprachschatz nicht und umgekehrt.
    Das ist ganz normal. Ich werfe ihr das nicht vor. Ich bin nicht beleidigt, dass meine Tochter nicht so spricht wie ich und würde sie nicht dazu anhalten, meinen Dialekt zu erlernen. Solange wir einander verstehen können, ist es mir gleichgültig, wie meine Tochter spricht. Insofern ist es für mich auch kein Aufreger, dass die Jugendlichen per sms eine Sprache benutzen, die ich nicht mehr verstehe. Es reicht in diesem Fall, wenn sie einander verstehen.
    Mir ist es lieber, jemand schreibt inhaltlich richtig, anstatt Schwachsinn zu verzapfen, und macht dafür ein paar Rechtschreibfehler oder verwendet einzelne Wörter, die es eigentlich gar nicht gibt.
    Einer meiner Freunde, der Philosoph Eugen Maria Schulak, ist etwas verzweifelt darüber, dass der Großteil seiner Studenten nicht einmal mehr rechtschreiben kann. Sie studieren Philosophie, sind aber der deutschen Sprache nicht mächtig. Eugen empfindet das als Katastrophe. In meinem Beruf aber ist die Rechtschreibung und Korrektheit nicht ganz so wichtig. Ich muss als Schauspieler hingegen verschiedene Sprachen sprechen, nämlich die Sprachen der Figuren. Ich persönlich könnte aber keinen Anwaltsbrief lesen und verstehen, ebenso wenig wie einen Arztbrief oder ein Schreiben in Amtsdeutsch. Dahinter steckt natürlich System, denn wenn du eine eigene Sprache entwickelst, die nur von Insidern entschlüsselt werden kann, dann schließt du damit andere aus.
    Kurz noch zur E-Mail: Sie ersetzt das geschriebene Brieflein, macht die Kommunikation immens schnelllebig – auch kurzlebig –, bietet aber viel mehr Möglichkeiten als ein Brief. Ich denke daran, wie einfach man Fotos, Filme, Musik und andere Medien via E-Mail versenden kann. Die E-Mail ersetzt also den Brief, weitet dessen Möglichkeiten aus, und es ist einfacher zu e-mailen, alseinen Brief zu verfassen. Man muss nicht schön schreiben können und braucht nicht einmal mehr die Rechtschreibung zu beherrschen, da es ja ein Programm gibt, das Fehler markiert und ausbessert. Mit einer E-Mail muss man auch nicht mehr zum Postamt gehen. Darum versenden die Menschen solche Fluten an E-Mails. Es ist bequem und

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