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Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)

Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)

Titel: Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Düringer , Clemens G. Arvay
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Generationen schon mit Mobiltelefonen aufwachsen, welche für sie natürlich ganz normal sind, so wie es für mich damals völlig normal war, dass die meisten erwachsenen Menschen ein Auto besitzen. Eine Zeit ohne Autos habe ich nie miterlebt, daher gehören Autos für mich zum Leben. Ich empfinde sie als Selbstverständlichkeit, ohne sie zu hinterfragen. Das wiederum ist mein Dilemma. Mit dem Radio ist es ganz ähnlich. Zwei Generationen vor meiner eigenen war das Radio eine große Neuerung: „Wie kann es überhaupt gehen“, dachten sich die Menschen wohl, „dass da einfach irgendjemand aus einem Kasten heraus spricht?“ Noch früher in der Geschichte wäre es den Menschen überhaupt vollkommen unvorstellbar gewesen, dass bei ihnen zu Hause jemand aus einem Radio spricht, der gar nicht dort sitzt. Das wäre Hexerei gewesen und das Sprungbrett zu einer Karriere am Scheiterhaufen. Inzwischen ist es Normalität geworden. Das Radiohören und das Fernsehen gehören zum Leben. Ebenso ist die Kommunikation durch das Mobiltelefon etwas ganz Alltägliches geworden. Es ist nichts Besonderes mehr.
    In meiner Kindheit sah ich ein einziges Mal ein Autotelefon, nämlich als in unserer Wohngegend in Wien ein Renault 4 an einer Straßenkreuzung in eine Telefonzelle krachte. Dawusstest du auch nicht mehr, wo das Auto aufhörte und wo die Telefonzelle anfing. So gesehen war es ein „Autotelefon“.
    Später kamen die ersten echten Autotelefone auf den Markt. Im Grunde waren das ja die ersten Mobiltelefone, was wiederum sehr viel über die Abhängigkeit vom Automobil in der damaligen Zeit aussagt. Autotelefone waren Statussymbole. Wenn du ein Autotelefon hattest und im Auto erreichbar warst, dann bedeutete dies, dass du ein sehr wichtiger Mensch warst. So wichtig, dass du immer erreichbar sein musstest, und wenn man dich telefonisch nicht erreichen würde, bliebe die Erde vermutlich stehen und fiele aus der Umlaufbahn um die Sonne. Es kauften sich immer mehr Menschen solche Autotelefone, die sündhaft teuer waren. Das, was in meiner Jugend der Sportauspuff war oder die breiten Reifen oder das Sportlenkrad, war nun das ins Auto implantierte Telefon, das man präsentieren konnte, indem man im Auto damit telefonierte. Später wurden diese Geräte noch mobiler, indem sie nicht mehr fest eingebaut waren, sondern herausgenommen werden konnten.
    Das war die Zeit, zu der ich zum ersten Mal in diesen Wahnsinn des Mobiltelefonierens einstieg. Ich kaufte etwa am Ende der Achtziger für viel Geld einen Kasten mit einem Akku und einem kleinen Hörer darauf. Alleine der Akku, der bei solchen Telefonen viel größer war als das Telefon selbst, kostete ein kleines Vermögen. Das Ding sah aus wie ein Tischtelefon und konnte an den Zigarettenanzünder im Auto angeschlossen werden, um den Akku zu laden. In einem kleinen Koffer konntest du das Telefon aber transportieren und auch außerhalb des Autos benutzen. Dumm war nur, dass ich trotzdem nur selten erreichbar war. Das Netz war kaum ausgebaut. Warum also hatte ich mir ein solches Automobiltelefon zugelegt? Ganz einfach, um mir persönlich eine gewisse Wichtigkeit zu verpassen.
    Mit der Zeit wurden diese Geräte kleiner und ließen sich bald einstecken, ich musste natürlich auch sofort eines haben. Da fing es dann so richtig an: In Restaurants und Lokalen oder auch in Büros und Geschäften sah man die Telefone auf den Tischen liegen, weil sie von „wichtigen“ Leuten dorthin gelegt worden waren, um ihre „Wichtigkeit“ nach außen zu zeigen. Das Autotelefon hatte man den anderen ja nur dann präsentieren können, wenn jemand im Auto mitgefahren war. Und das Auto hatte man zum Beispiel bei Besprechungen nur schwerlich in ein Gebäude mitnehmen können, um zu demonstrieren: „Seht nur, ich habe ein Autotelefon!“
    Zu Beginn waren diese Geräte also noch absolute Statussymbole, auch weil sie teuer waren. Das hat sich mittlerweile geändert. Mobiltelefone sind Teil des Alltags, sie gehören quasi zum Leben. Die Entwicklung war ein Selbstläufer und musste von der Industrie nur gestartet werden, indem das Bedürfnis erzeugt wurde, immer und überall erreichbar zu sein. Wohin uns das geführt hat, sehen wir heute: Das Handy erhöht das Stressniveau. Es läutet pausenlos, sofern man es nicht ausschaltet. Wenn dich jemand anruft, lässt er es mitunter nur zweimal läuten und geht davon aus, dass du zurückrufen wirst. Tust du das nicht innerhalb von drei Minuten, ruft er dich noch einmal an und

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