Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)
selben Zeit wie Löwenzahn in Bayern oder in Niederösterreich. Wenn in einer bestimmten Region die Bedingungen für eine bestimmte Pflanze günstig sind, um herauszukommen, dann wird diese Pflanze darauf reagieren. Jede Löwenzahnpflanze – um beim Beispiel zu bleiben – hat dieselben Ansprüche an die Umwelt, um in die Blüte zu investieren. Daher wird der Großteil dieser Spezies in einer Region etwa zur selben Zeit die jeweils selben Entwicklungsschritte durchmachen. Wir werden aber immer wieder auch einzelne Löwenzähne finden, die früher oder später blühen, oder wir werden feststellen, dass auf ein und derselben Wiese die Pflanzen in Schattenlage später dran sind als jene in sonnigeren Bereichen.
Man denke beispielsweise an die wunderschönen Frühjahrsblüher im Wald unter Bäumen, die mit ihren Zwiebeln den Winter unterirdisch überstehen. Wenn die Sonne ihre ersten warmen Strahlen auf den Erdboden sendet, reagieren diese Pflanzen. Sie nutzen nämlich ein ganz bestimmtes Zeitfenster, um zu blühen, in dem die Sonne bereits ausreichend Kraft hat, während die Bäume aber noch kein Laub tragen. Nur dann gelangt ausreichend Sonnenlicht durch die Baumkronen bis zum Waldboden und die Frühjahrsblüher sind daher auf dieses Zeitfenster angewiesen – sie haben sich im Laufe der Evolution darauf spezialisiert, die Nische zu besiedeln. Danach blühen sie relativ rasch wieder ab, praktisch alle auf einmal. Die Umweltbedingungen geben den Rhythmus vor.
Wir wissen aber, dass es tatsächlich eine Art der pflanzlichen Kommunikation gibt, welche die Biologie mittlerweile recht ausführlich untersucht hat. Pflanzen kommunizieren über Botenstoffe miteinander, die sich sowohl positiv – also unterstützend – alsauch negativ auf andere Pflanzen auswirken. Wenn Pflanzen einander vergiften, um die Konkurrenz zu beseitigen, so spricht man von „Allelopathie“. Es werden Stoffe abgegeben, die anderen Pflanzen oder Tieren schaden, um das eigene Territorium zu verteidigen. Andererseits gibt es natürlich auch Botenstoffe, die ausgesendet werden, um andere Pflanzen zu fördern oder ihnen Information zur Verfügung zu stellen. Das wiederum ist etwas gänzlich anderes als Telepathie – ich benutze diesen Begriff jetzt einfach. Es ist auch sehr fraglich, ob es sich um bewusste Kommunikation wie bei uns Menschen und wie bei vielen Tieren handelt.
Ich vergleiche diese Vorgänge oft mit jenen, die in unserem Verdauungssystem ablaufen. Mein Magen und mein Darm nehmen physikalische und chemische Reize auf und reagieren aktiv darauf, zum Beispiel durch die Abgabe von Verdauungssäften, eines Enzymcocktails und anderer Substanzen. Schon im Mund werden die Reize durch die Aufnahme der Nahrung registriert und über mein Nervensystem wird über Botenstoffe die Verdauung vorbereitet. Obwohl es sich dabei eindeutig um Kommunikationsprozesse handelt, die wie bei den Pflanzen physikalisch und chemisch initiiert sind, würde ich darin kein bewusstes Kommunizieren sehen, außer ich spreche jedem einzelnen meiner Organe, auch dem „kommunizierenden“ Magen, ein eigenständiges Bewusstsein zu, was schwer argumentierbar ist.
Roland Düringer: Ja, vielleicht ist es auf Basis deines Wissensstandes schwer argumentierbar. Das ist, was du als Biologe gelernt hast. Aber besteht nicht die Möglichkeit, dass jede unserer Zellen ein eigenes Bewusstsein hat? Oder besteht nicht sogar die Möglichkeit, dass das, was wir als Bewusstsein bezeichnen, sich außerhalb unseres Körpers befindet?
Clemens Arvay: Das ist durchaus möglich, wobei ich mich in meiner Aussage nicht nur auf meinen Beruf des Biologen bezogen habe, sondern auch auf meine Erfahrungen als Lebewesen, auf mein Gefühl für den menschlichen Körper. Es würde, glaube ich, aber jetzt zu weit führen und den Rahmen sprengen, dieses Fass zu öffnen.
Das mit der Telepathie finde ich dennoch spannend. Jeder von uns kennt diese Momente, in denen man beispielsweise zum Telefon greift, um jemanden anzurufen, und just im selben Moment ruft diese Person von sich aus an. Man hat dann das Gefühl, dass dies kein Zufall sein könne. In der Regel passiert so etwas nur zwischen Menschen, die einander sehr nahestehen. Das Phänomen wurde in psychologischen Experimenten schon oft untersucht, wobei sich bisher nie bestätigt hat, dass wir auf der telepathischen Ebene miteinander kommunizieren können. Interessanterweise liegen bei solchen Tests die Treffer beim intuitiven „Spüren“ von
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