Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)
niemals ein sicheres Leben sein und umgekehrt.
So empfinde ich es beispielsweise als große Freiheit, mir die klare Regel zu schaffen, nur mehr einmal pro Woche Kaffee zu trinken, und das ist dann mein Sonntagskaffee. Ansonsten verzichte ich auf dieses Genussmittel, sofern ich nicht gerade im Urlaub bin. Dann nämlich trinke ich meinen Einspänner – das ist Kaffee mit geschlagener Sahne – auch öfter. Indem ich aber ansonsten meiner eigenen Regel folge, nur einmal pro Woche Kaffee zu trinken, wird dieser Genuss zu etwas Besonderem. Es wird zu einem Geschmackserlebnis der speziellen Art, und ist dann auch nicht schädlich.
Trinke ich hingegen täglich viermal Kaffee, ein guter Grund für eine Arbeitspause, dann wird dies möglicherweise langfristig meiner Gesundheit schaden. Und so ist es bei allen Dingen.
Ein anderes Beispiel: Ich trinke seit Monaten kaum Alkohol mehr und schätze diese Unabhängigkeit, die ich dank meines freien Willens erlangt habe. Es ist ein tolles Gefühl, zu wissen, dass ich jederzeit und überall Kaffee oder Alkohol trinken könnte, jedoch die Freiheit habe zu sagen: „Nein“. Ich genieße dadurch in meinem Leben mehr Souveränität über meine Entscheidungen.
Es ist auch ein Zeichen der Freiheit, in ein Shoppingcenter zu gehen, acht Stunden darin zu verbringen und dort nichts zuentdecken, was ich haben will. Hineinzugehen und dem Drang nachzugeben, etwas zu kaufen, ist hingegen keine Freiheit. Selbstbestimmung und Eigenverantwortung: Damit fängt ein freies Leben an.
Es ist wichtig, mit sich selbst gut umgehen zu können, das eigene Wesen zu kennen. Es macht einen Unterschied, ob ich denke oder ob da nur etwas in mir drinnen steckt, das denkt. Wir müssen uns das, was dann in uns denkt, genau ansehen: „Aha“, sage ich dann, „mein Gehirn denkt gerade in mir, aber es ist nichts weiter passiert. Es sind lediglich Gedanken, Bilder im Kopf.“ Wenn ich mich manchmal einfach aus mir herausbegebe und mein Denken und Handeln von außen beobachte, dann ist bereits das ein Gefühl von Freiheit. Ich bin dann nicht mehr in meinem Wesen gefangen. Verstehen wir erst, dass unsere Gewohnheiten nicht für immer und ewig wie in Stein gemeißelt sind, dann können wir blitzartig etwas an uns verändern. Sich bewusst zu verändern bedeutet aber nicht, dadurch seine Identität zu verlieren. Man ist weiterhin, wer man ist, aber eben verändert.
Diese Gedanken kann man auch auf das Mobiltelefon umlegen. Ich kann jederzeit die Entscheidung treffen, mein Handy zu nehmen, es zum Fenster rauszuwerfen und nie wieder ein neues zu kaufen. Das wäre letztlich sogar einfacher, als zu sagen: „Ich behalte mein Mobiltelefon, benutze es aber ab sofort sinnvoll und wohlüberlegt“.
Die Gesellschaft hätte es nur schwer akzeptiert, wenn ich meine Mobiltelefonnummer behalten hätte, aber unter dieser kaum mehr erreichbar gewesen wäre. Wenn du aber sagst: „Ich habe mein Handy zum Fenster hinausgeworfen“, dann bleibt den anderen nichts anderes übrig, als zu akzeptieren, dass du nicht mehr mit dem Handy telefonierst. Punkt.
Das ist vergleichbar mit der Situation, in der du sagst: „Tut mir leid, ich bin vom 13. Juli bis 16. August auf Urlaub und dann wiederfür Sie erreichbar“. Das akzeptiert jeder. Sagst du hingegen: „Ich brauche jetzt vier Wochen Ruhe“, fährst aber dabei nicht weg, sondern bleibst daheim, dann könnte es anderen schwerfallen, deinen Wunsch ernstzunehmen. Man muss eine sehr starke Persönlichkeit sein, um zu Hause Urlaub machen zu können. Das braucht wirklich Kraft und Konsequenz.
Aus diesem Grund habe ich für mein Experiment klare Linien gezogen. Alle, die davon hören, wissen: „Düringer spinnt derzeit ein bisschen. Er macht einen Selbstversuch, hat kein Handy mehr, keine E-Mail-Adresse.“ Damit ist klar: Man kann mir keine E-Mails senden und mich mobil nicht erreichen. Es erwartet daher auch niemand, dass ich ständig zurückrufe, wenn mein Display einen Anruf in Abwesenheit anzeigt, und niemand kann mir böse sein. Hätte ich jedoch noch E-Mail-Adresse und Mobiltelefon, würde aber deren Gebrauch reduzieren und manchmal auch nicht antworten, so wären manche Menschen vielleicht sogar beleidigt.
Clemens G. Arvay: Hat der Verzicht auf das Mobiltelefon dein Leben in manchen Bereichen im ganz besonders positiven Sinn beeinflusst?
Roland Düringer: Ich empfinde es als besonders angenehm, wenn ich irgendwo im öffentlichen Raum bin und es läutet ein Handy. Dann weiß
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