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Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)

Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)

Titel: Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Düringer , Clemens G. Arvay
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    Ich unterhielt mich einmal mit einem Banker, der für ein großes, internationales Unternehmen arbeitete. Er erzählte mir, dass ihm aufgrund der hohen Anzahl der internen E-Mails, die er täglich erhält, pro E-Mail nur etwa 30 Sekunden Zeit zur Verfügung stehen, um sie zu lesen und kurz zu beantworten. Wenn er das in 30 Sekunden nicht schafft, leitet er die Nachricht sofort an jemand anderen weiter, der vielleicht die Antwort darauf weiß. Welche Art der Kommunikation soll das sein, wenn ich nur mehr 30 Sekunden Zeit habe, um mich mit einer Frage zu beschäftigen und darauf zu antworten. Über die Antwort nachzudenken ist dann nicht mehr drin. So kann es einfach nicht sein. Mit Kommunikation im guten Sinne hat das nichts mehr zu tun.
    Weil ich keine E-Mail-Adresse mehr besitze, und das auch alle wissen, erhalte ich wieder mehr Briefe. Diese sind teilweise handgeschrieben. Es kommt immer wieder vor, dass sich die Verfasser für ihre Handschrift vorausschauend entschuldigen: „Ich entschuldige mich gleich einmal für meine schreckliche Schrift, aber ich habe seit vielen Jahren keinen Brief mehr von Hand geschrieben und ich finde es total lustig, dass ich jetzt wieder einen verfasse.“
    Wenn du einen handgeschriebenen Brief erhältst, dann siehst du schon, wenn du den Brief vor dir liegen hast, welche Persönlichkeit ihn geschrieben haben könnte. Du kannst aus dem Schriftbild, aus der gewählten Schriftfarbe und anhand des Papiers schon ein wenig über den Schreiber oder die Schreiberin herauslesen. Auch die Rechtschreibfehler oder die Einteilung des Papierblattes sagenetwas aus. Jeder handgeschriebene Brief erzählt bereits ungelesen eine Geschichte, E-Mails tun das hingegen nicht. Dafür kann man mit ihrer Hilfe blenden und täuschen.
    Da gibt es dann noch die zahlreichen digitalen Hilferufe aus der virtuellen an die reale Welt. Oft ein verzweifeltes „Ich bin auch noch da. Ich habe etwas zu sagen, bitte sprecht mit mir. Hört mir zu, auch wenn ich nur Schwachsinn verzapfe, und seid mir bitte Freund oder Feind.“ Es sind die lautlosen Schreie nach Anerkennung und Aufmerksamkeit: Bloggen und Kommentieren. Wilde Wortgefechte und Beleidigungen im Schutze der Anonymität, und ohne sich der Gefahr auszusetzen, ein blaues Auge zu kassieren. Dem Mutigen gehört die Welt, den anderen bleibt der Blog, der Unterschlupf.
    Diese Form der Kommunikation ist mir fremd und auch nicht nachvollziehbar und für mich ein Zeichen von Mangel und auch Einsamkeit. Im Netz gibt’s zwar keine Ohrfeigen, aber auch keine Streicheleinheiten.

Technik
    Clemens G. Arvay: Ich zum Beispiel wäre vermutlich in der Lage, deinem Vorbild zu folgen und das Mobiltelefon aus meinem Leben zu verbannen. Als Buchautor hätte ich recht gute Voraussetzungen dafür, vor allem dann, wenn ich erst meinen Vorsatz verwirklicht habe, neben Sachbüchern auch Romane zu schreiben. Derzeit gehen all meinen Büchern noch aufwändige, investigative Recherchearbeiten voraus, für die ich oft monatelang am Stück unterwegs bin. Beim künstlerischen Schreiben, bei dem diese Recherchen meist wegfallen, wäre das Handy ohne Weiteres entbehrlich. Selbst der Verzicht aufs Internet wäre ohne große Abstriche möglich. Man schreibt dann „offline“ von zu Hause aus, weil ja Fantasie und Kreativität zum Glück auch ohne Internet funktionieren. Das fertigeManuskript könnte man ebenso gut auf einem Datenträger per Post an den Verlag senden. Diese Situation strebe ich an.
    Es gibt gewisse Berufsgruppen, die in solchen Belangen privilegiert sind. Bei anderen ist das nicht so. Die Technologien haben sich ja mit der Gesellschaft und den Berufen entwickelt und umgekehrt, die Berufe mit den Technologien. Das scheint so miteinander verwoben zu sein, dass manche Tätigkeiten wirklich nur mehr mit der entsprechenden Technik ausgeübt werden können. Die Abhängigkeit vom Mobiltelefon gehört für manche vermutlich ebenfalls zum beruflichen Alltag.
    Roland Düringer: Es besteht für bestimmte Berufsgruppen generell eine starke Abhängigkeit von der Elektronik. Ich persönlich bin kein Elektronikfreund. Sie ist etwas, das irgendwann auch in mein Leben eingedrungen ist. Ich muss mich daher mit einer Sache befassen, die mir sehr fremd ist, die ich nicht verstehe.
    Ich habe ja, wie ich schon sagte, den Maschinenbau erlernt, und aufgrund dessen sind mechanische Abläufe für mich gut durchschaubar. Wenn ich mir ein Elektrobauteil

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