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Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)

Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)

Titel: Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Düringer , Clemens G. Arvay
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machen als über das eigene. Aus diesem Grund mögen wir diese Mediengeschichten vermutlich so gerne, die uns präsentiert werden und in denen es ständig um die Probleme, die Sorgen, aber auch um die Freuden Anderer geht. In den neuen Medien erscheint uns das schon etwas anders. Da geht es scheinbar auch um uns, und Jeder hat die Möglichkeit, aktiv andieser neuen Medienwelt teilzunehmen. Man wird zur handelnden Person und kann sich so aus der Opferrolle holen, kann vom Opfer quasi zum „Täter“ werden. Dem Internet und den sozialen Medien sagt man ja nach, sie könnten die Welt verändern.
    Ich versuchte also, herauszufinden, ob das Internet wirklich so eine Macht hat, wenn es darum geht, Dinge in der realen Welt in Bewegung zu setzen. Auf der Straße hatte mich zufällig eine Dame angesprochen, die für ein Kindertagesheim in Afrika Geld sammelt. Sie fragte mich, ob ich für ihr Projekt eine Benefizvorstellung geben würde. Ich dachte mir, wir probieren das gleich etwas anders. Also startete ich ganz einfach einen Aufruf im Internet. Immerhin haben sich auf meinem Webblog etwa 10 000 Besucher selbst als gültige Stimmen geoutet, also die Bereitschaft kundgegeben, für Veränderung einzutreten, Systeme zu verlassen und Eigenverantwortung für ihr Leben zu übernehmen. Ich gab die Kontonummer des Vereins, der für die Errichtung dieser Tagesheimstätte für Kinder in Swasiland Geld sammelt, bekannt. Jeder, der sich als gültige Stimme verstand, sollte einen Euro spenden. Bei 10 000 Stimmen hätten wir 10 000 Euro zusammenbekommen. Wer nicht spenden wollte, sollte stattdessen eine E-Mail an den Verein senden und kurz begründen, weshalb er oder sie diesen Euro nicht spenden wollte. Das ist ja völlig legitim, da man niemanden zum Spenden zwingen kann.
    Von den 10 000 gültigen Stimmen reagierten insgesamt circa 500 durch eine Geldspende oder durch das Versenden einer E-Mail, wobei sich etwa 100 – vielleicht waren es 130 – für die Spende entschieden. So viel bleibt dann von der „Macht“ des Internets übrig, wenn es um konkretes Handeln geht. Von 10 000 Menschen haben 500 reagiert, also fünf Prozent. Diese Rate wäre super, wenn ich meinen Aufruf an irgendeine anonyme Masse gerichtethätte. Meine 10 000 Zuseher sind aber Menschen, die bereits eine erhöhte Bereitschaft haben, aktiv etwas in Bewegung zu setzen. Daher sind fünf Prozent nicht viel. Ich schließe daraus, dass meine Webseite und auch mein Youtube-Kanal für die Zuseher hauptsächlich Unterhaltungswert haben.
    Aber jetzt kommt die gute Nachricht: Trotzdem kamen durch die „Gültigen Stimmen“ mehr als 7.000 Euro zusammen. Nicht, weil die Masse einen Euro pro Person gab, sondern weil eine Minderheit sehr viel mehr gab. So glaube ich, dass nicht die Mehrheit für Veränderung und Handeln steht, sondern die Minderheit. Veränderungen zum Wohle der Menschen sind immer von begeisterten und engagierten Minderheiten ins Rollen gebracht worden und niemals von der breiten Masse. Wahrscheinlich kann auch deswegen ein Mehrheitswahlrecht nur schwerlich für Veränderung sorgen. Mehrheiten stehen für Stillstand und für Sicherheit, aber gegen die Freiheit … weil Freiheit ja Verantwortung bedeutet. Und Verantwortung können nur Einzelne übernehmen, nicht aber die Massen. Innerhalb einer Masse wird die Verantwortung oft auf Andere abgewälzt. „Man müsste endlich … da sollte man wirklich einmal …“, oder am liebsten: „Die sollten endlich einmal dieses oder jenes tun.“
    Ich führte noch einen weiteren Versuch durch. Ich kaufte mir etwa zehn verschiedene Zeitschriften: Motorzeitschriften, Modejournale, irgendwelche Illustrierten und Nachrichtenmagazine. Aus diesen Heften schnitt ich dann alle Werbeanzeigen heraus und warf sie auf die Waage. Ein Drittel des Gewichts der Zeitschriften war Werbung. Damit meine ich dezidiert Werbung, die ganz klar als solche erkennbar ist. Die versteckte Werbung, die in manchen Artikeln zu finden ist, habe ich gar nicht berücksichtigt. Wenn ich mir Zeitschriften kaufe, bezahle ich damit also auch für plumpe Werbeinserate, die ein Drittel des Gewichts ausmachen. Wahrscheinlich greiftdieser Gedanke etwas zu kurz, da es die restlichen zwei Drittel ohne den Verkauf von Inseraten ja nicht gäbe. Printmedien wären dann nicht finanzierbar. Aber für mich ist es trotzdem ein Grund, Zeitschriften nicht mehr zu kaufen, weil für mich auch ein Nein zum „Konsumismus“ wichtig ist, der uns ja in

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