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Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)

Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)

Titel: Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Düringer , Clemens G. Arvay
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vielen Facetten ständig begegnet.
    Es dreht sich alles nur ums Kaufen und Verkaufen, ums Geld machen, ums Habenwollen. Was würde sich jemand denken, der aus der Vergangenheit in unsere Zeit reist? Auf einen solchen Zeitreisenden muss das alles vollkommen verrückt wirken. Alleine die Lohnarbeit, die wir leisten, ist oft sinnlos und absurd: Fünf Tage pro Woche an einem sinnentleerten Arbeitsplatz zu verbringen, um das Geld dann in der Freizeit, also in der Zeit des „Verkonsumierens von Arbeitszeit“, wieder auszugeben, noch dazu oft für Dinge, die man nicht braucht. Für Besitz, der dich eines Tages besitzt. Ist das nicht seltsam?

Arbeit und Konsum
    So vieles von dem Zeug, das ich mir in meinem Leben gekauft habe, war vollkommen sinnlos und landete letztlich auf der Müllhalde. Einiges verschenkte ich auch, ohne es je wirklich genutzt zu haben.
    Für jedes Teil, das du dir anschaffst, wurden Ressourcen verbraucht und mussten Menschen arbeiten. Rohstoffe wurden dem Planeten entnommen, und dann landet das alles im Müll. Es ist egal, ob es sich um eine Hose handelt, die zwei Jahre lang hält, oder um ein Haus, das für Jahrzehnte steht. Irgendwann müssen wir alles entsorgen – oder zumindest die Materialen, aus denen die Objekte bestanden haben. Man könnte sagen, wir sind Konverter. Wir wandeln Ressourcen, also Bodenschätze, in Müll um. Das tun wir in phänomenal großem Stil.
    Bei Dingen, die wir wirklich benötigen, ist das noch zu verstehen. Aber wie vieles von dem, was weggeworfen wird, brauchen wir wirklich? Ein Einkaufszentrum, ein Supermarkt sind Zwischenlagerstätten für Industriegerümpel und letztlich für Müll. Das wird alleine dann schon ersichtlich, wenn man sich bewusst macht, wie viel dort an Plastik und Verpackungsmaterial täglich über den Ladentisch wandert. Wir tauschen einen beträchtlichen Teil unserer Arbeitszeit gegen Industriegerümpel ein. Das ist doch vollkommen verrückt. Beim Betreten eines Einkaufszentrums oder eines Supermarktes habe ich manchmal wirklich das Gefühl, ich betrete eine geschlossene Anstalt, in der der Wahnsinn frohe Umstände feiert. Deswegen halte ich mich von solchen Orten fern.
    Wenn alle wie Lemminge irgendeiner Sache nachlaufen oder in ein bestimmtes Geschäft strömen, bedeutet das für mich nicht, dass es deswegen richtig sein muss, es so zu tun – bloß weil es alle machen. Ich gehe inzwischen schon davon aus, dass etwas, das alle tun, riesengroßer Unsinn sein muss, von dem ich besser die Finger lassen sollte. Ich habe glücklicherweise das Privileg, bei den meisten Dingen nicht mitmachen zu müssen. Ich fahre immer in die andere Richtung: Wenn ich nach Wien arbeiten fahre, dann fahre ich in die Richtung, wo gerade kein Stau ist. Alle bewegen sich aus der Stadt, ich mich in die Stadt hinein. Ich fahre nicht am Wochenende ins Grüne, ich lebe im Grünen und fahre, falls ich Lust dazu verspüre, am Wochenende in die Stadt. Die Selbstständigkeit und die Freiheit, die mir mein Beruf bietet, sowie die damit verbundene Möglichkeit, Entscheidungen selbst zu treffen, sind das eigentliche Fundament. Erst diese Rahmenbedingungen ermöglichen mir, vieles zu hinterfragen. Ich weiß nicht, welche Bedürfnisse und Gedanken ich in meinem Kopf hätte, wenn ich – so wie viele andere – im sprichwörtlichen „Hamsterrad“ laufen müsste. Dafür habe ich sehr, sehr dankbar zu sein.
    Clemens G. Arvay: Ich bin derzeit in der Situation, dass ich vom Bücherschreiben gerade so über die Runden komme, sofern ich sparsam lebe. Ich arbeite sehr viel, aber ich kann mir den Ort und die Zeit meiner Arbeit meistens selbst aussuchen. Dadurch kann ich ein wenig nachvollziehen, was du meinst.
    Das Gefühl, nicht mit dem Strom schwimmen zu müssen, sich nicht um sieben Uhr morgens in die Rush Hour stürzen zu müssen, ist sehr viel wert. Ich bin auch froh, dass mir nicht irgendein Chef, dem es womöglich nur um Geld geht, vorgibt, was ich zu sagen oder wie ich zu arbeiten habe. Es ist gut, sich bei dem, was man tut – oder was man als Autor schreibt – nur auf das eigene Gewissen verlassen zu müssen. Die Sehnsucht nach einer Arbeitswelt, die Sinn stiftet und in der ich nichts tun muss, was ich nicht vertreten kann, ist in mir so stark, dass ich selbst dann noch als freier Autor leben würde, wenn ich dabei am Existenzminimum leben müsste. Ich würde diesen Weg trotzdem weitergehen. Dass die Sehnsucht nach dieser Freiheit, nach der Möglichkeit, dem eigenen Herz zu

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