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Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)

Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)

Titel: Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Düringer , Clemens G. Arvay
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folgen und sich nicht beugen zu lassen, nicht alle Menschen zu gewissen Wagnissen treibt, ist mir nicht ganz verständlich.
    Roland Düringer: Ich frage mich oft, ob nicht viele andere Menschen durchaus die Möglichkeit hätten, anders zu agieren. Müssen sie wirklich an fünf oder sechs Tagen pro Woche um acht Uhr morgens im Stau zur Arbeit fahren – und alle immer zur selben Zeit? Einige haben gewiss keine andere Möglichkeit, andere glauben aber vielleicht nur, sie müssten es so tun. Oder reden sie sich ein, dass sie das freiwillig machen? Sie glauben womöglich, dass diese gemachten Bedürfnisse ihre eigenen sind.
    Clemens G. Arvay: Einige Dogmen unserer Zivilisation scheinen in der Tat „gemacht“ zu sein. Man glaubt, 40, 50 oder manchmalauch 60 Wochenstunden Lohnarbeit nach den Vorstellungen und Vorgaben anderer Menschen, die zufällig mehr Geld haben als man selbst, seien der einzige realistische oder gangbare Weg. Wir sind es so gewohnt. Dadurch kommt es auch zur Verschiebung der Wertigkeit von Arbeit. Plötzlich ist beispielsweise die Leistung der Handwerker oder der Bauern, die wirklich produktive Arbeit vollbringen, fast nichts mehr wert, während Managerinnen und Manager im Büro unverhältnismäßig viel mehr verdienen als jemand, der grundlegende Werte für die menschliche Existenz liefert.
    Roland Düringer: Du hast es auf den Punkt gebracht. Wenn es eines Tages heißt: „Leb wohl, Schlaraffenland“, dann werden alle, die jetzt vor Computern sitzen, virtuelle Güter erzeugen, die es eigentlich gar nicht gibt, und herumtelefonieren, wimmernd zu denen kriechen, die etwas produzieren können, was wir wirklich brauchen. Das können landwirtschaftliche Produkte sein, genauso wie handwerkliche Erzeugnisse und Leistungen. Eines Tages werden wieder Dinge gefragt sein, die handfesten Wert für die Menschheit haben. Viele Arbeiten, die vor dem Computer stattfinden, werden überflüssig sein.
    Marketingexperten – derzeit hochbezahlt – werden vielleicht nutzlos sein. Ganz „wichtig“ ist im Moment das „Eventmanagement“. So etwas zu beherrschen ist natürlich sehr „bedeutend“. (lacht)
    Ganze Industriezweige tun nichts anderes, als künstliche Bedürfnisse zu erzeugen. Es geht darum, die Menschen zum Kauf von Dingen zu bewegen, die niemand braucht. Schade, dass Menschen, die solche Aufgaben erfüllen, ihre Energie nicht für sinnvolle Dinge aufwenden. Im Marketing finden sich zum Teil sehr kreative Köpfe. Diese könnten auch etwas anderes ausprobieren, aber leider lockt viele Menschen das Geld, das man mit Werbung verdienen kann.
    Auch Werbung kenne ich aus der Perspektive hinter den Kulissen. Manchmal hatte ich das Gefühl, in dieser Branche spielt Geld keine Rolle mehr. Ich habe selbst erlebt, welche verhältnismäßig geringen Budgets in Österreich oder Deutschland oft für ganze Kinospielfilme zur Verfügung stehen, und welch ein Vermögen im Vergleich dazu für einen 30 Sekunden langen Werbespot verprasst wird. Angesichts dessen könnte man in Tränen ausbrechen.
    Die „Bedürfnisindustrie“ erzeugt Bedürfnisse, um diese dann ausbeuten zu können und uns massenweise ihr Industriegerümpel zu verhökern, von dem ein großer Teil mit Sicherheit auf der Müllhalde landen wird, da diese Dinge eigentlich keinen Wert haben. Ihr Wert wurde uns nur vorgetäuscht.
    Wann immer ich in einen Baumarkt gehe, sehe ich lauter Werkzeugimitate. Wirklich gutes Werkzeug kostet etwas, aber dafür taugt es auch zum Arbeiten und man besitzt es in vielen Fällen ein Leben lang. Ein Werkzeugimitat sieht optisch gut aus und trägt auf der Verpackung möglichst viele „Gütesiegel“. Ebenfalls im Preis inbegriffen ist das baldige Kaputtgehen.
    Der Sinn eines guten Werkzeugs wäre, es ständig im Einsatz zu haben und damit etwas zu leisten oder zu produzieren. Auch ein Sessel wird erst zum Sessel, indem ich auf ihm sitze. Wenn der Sessel nur herumsteht, ist er kein Sessel, sondern ein Zierobjekt. Wenn ich mir unzähliges Werkzeug anschaffe – Schlagbohrmaschine und Hobel, Meißel, Hammer und Elektrowerkzeug –, ist dieser Kaufakt völlig idiotisch, sofern ich mit den Geräten nicht regelmäßig arbeite.
    Jeder Akt des Konsums kostet mich ein Stück meiner Lebenszeit. Und diese möchte ich lieber mit sinnvollen Aktivitäten verbringen,nicht aber, um der Industrie gute Einnahmen zu verschaffen und um damit Arbeitsplätze zu sichern, nämlich Arbeitsplätze, die so sinnentleert sind, dass sie die meisten

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