Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)
Entscheidungen treffen.
Diese Flut an Information, die wir heute vor allem über die Medien geliefert bekommen, überfordert uns, ganz egal, ob sie nundurch Fernsehen, Radio, Zeitung oder Internet an uns herangetragen wird. Durch die Informationsüberflutung lösen die Medien Angstzustände, Hoffnungen und Leid in uns aus, obwohl die meisten Medieninformationen kaum Einfluss auf unser Leben haben. Wir geben den Dingen aber Bedeutung und reden mit anderen Menschen darüber. Wir plappern nach, was wir in den Medien gehört, gesehen und gelesen haben, und verkaufen das dann auch noch als unser eigenes Wissen. Man muss sich ja überall auskennen und überall mitreden können.
Für mein Experiment „Gültige Stimme“ habe ich beschlossen, auf diese Form der Information zu verzichten.
Medien
Ich wollte der Frage nachgehen, wie sich mein Leben verändert, wenn ich nicht mehr fernsehe, kein Radio mehr höre, keine Zeitungen und keine Journale lese. Was entgeht mir dabei?
Es stellte sich heraus, dass sich durch den Verzicht auf Medienkonsum sehr wenig ändert, was mein eigenes Leben betrifft. Wenn wirklich etwas Wichtiges passiert – etwas „Wichtiges“ unter Anführungsstrichen –, dann erfährt man es sowieso in Gesprächen mit anderen Menschen.
2013 kam ein neuer Papst. Einige Prominente verstarben. Es gab ein Jahrhunderthochwasser, Züge sind entgleist. All das ist geschehen, hat aber keinen wirklichen Einfluss auf mein Leben.
An der Straße schnappte ich neulich ein Gespräch auf: „Die Engländer sitzen noch immer vor dem Spital und warten“, sagte der eine zum anderen. „Achso“, dachte ich bei mir, „da ist vermutlich irgendwo in England etwas passiert. Die werden alle vor dem Spital sitzen wegen einer Seuche oder so etwas Ähnlichem und warten auf Einlass ins Krankenhaus“. Aber es stellte sich heraus, dassin Wirklichkeit irgendeine britische Prinzessin ein Kind zur Welt brachte und deswegen saßen die Engländer vor dem Spital – weil sie das Baby sehen wollten.
Dass manche Engländer so bescheuert sind, dort zu sitzen und als erste wissen wollen, wie das Kind der Prinzessin aussieht, kann ich vielleicht noch nachvollziehen. Dass sich dann aber Leute in Oberösterreich, wo ich das Gespräch gehört habe, Gedanken darüber machen, dass ein paar Engländer vor einem Spital sitzen und auf das Kind der Prinzessin warten, das verstehe ich nicht mehr.
Ich kenne beide Seiten der Medien. Ich war Konsument, trat aber auch selbst regelmäßig in den Medien auf. Daher weiß ich in etwa, wie die Medienwelt funktioniert. Das, was ich in Interviews sage, unterscheidet sich oft von dem, was letztlich gedruckt wird. Selbst wenn man in Talkshows zu Gast ist, werden einige Passagen herausgeschnitten, sofern es keine Livesendungen sind. Ich kann mir ein ungefähres Bild darüber machen, wie viele Falschaussagen über die Medien transportiert werden, die nicht direkt Lügen sind, aber zumindest so etwas wie „Halbwahrheiten“. Auch über mich wurde schon viel Falsches geschrieben. So etwas geschieht nicht bewusst, sondern einfach, indem irgendetwas missverstanden, oder eine Aussage aus dem Kontext gerissen und damit falsch wiedergegeben wird. Nun bin ich ja relativ bedeutungslos, es ist im Grunde völlig egal, was da über mich steht. Wenn es aber um wichtige Informationen geht, nach denen sich die Leute dann richten – darum heißt es ja auch „Nachrichten“, nach denen richtet man sich –, dann macht mir die Verzerrung durch die Medien schon ein wenig Angst.
Andererseits sind diese Medien ja nichts anderes als ein Bauteil unseres Systems, in dem wir momentan verhaftet sind. Es ist nicht so, wie es manche gerne behaupten, dass nämlich die Medien die Welt regieren würden oder Teil einer Art „Verschwörung“ seien.Tatsache ist, dass es den politischen Parteien sehr wichtig ist, Einfluss auf bestimmte Medien zu haben. Die Politiker kennen einfach die Macht der Medien und wissen, dass man über die Medien die Menschen manipulieren kann. Indem man ihr Denken beeinflusst und damit letztendlich auch ihr Handeln. Weil eben, wie bereits besprochen, viele „Meinungen“ in unseren Köpfen nicht auf eigenen Erfahrungen beruhen, sondern auf reinem Wiederkäuen fremder Ansichten.
Wenn wirklich alle Menschen entsprechend den Meinungen, die sie derzeit in ihren Köpfen haben, handeln würden – na dann, gute Nacht! Es bleibt zu hoffen, dass sich das eigenständige Denken wieder eingestellt hat, bis es
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