Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)

Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)

Titel: Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Düringer , Clemens G. Arvay
Vom Netzwerk:
hatte, war keine gute.
    Ich fing an, mich selbst so zu sehen, wie mich andere sahen, und das ist in meinem Beruf, in dem man in der Öffentlichkeit steht, sehr gefährlich. Man gerät nur allzu leicht in Versuchung, zu glauben, man sei ein „Star“ oder irgendjemand besonderer. Die Leute wollen Autogramme von dir, sagen dir, dass du super bist, dass sie dein größter Fan sind. So kann man sehr leicht in die Falle tappen, wenn man nicht rechtzeitig die Bremse zieht. Ich sagte dann: „Nicht mit mir!“ Ich bin das, was ich bin, auch ohne beruflichen Erfolg und öffentliches Getue. Ich brauche das alles nicht mehr.
    Clemens G. Arvay: Du hast erzählt, dass du in den Zeiten deiner größten Erfolge auch körperliche Anzeichen des Drucks, der auf dir lastete, feststellen konntest. Wie hat sich das geäußert?
    Roland Düringer: Bei mir war es vor allem der Stimmapparat, der in Mitleidenschaft gezogen wurde. Ich spielte sechsmal pro Woche auf der Bühne, und es war eigentlich immer so, dass ich heiser ins Bett ging, mit der Hoffnung, die Heiserkeit am Morgen nicht mehr zu spüren. Es verschlechterte sich aber über Nacht. Ich war morgens noch heiserer als am Vorabend. Mein Körper konnte sich in der Nacht nicht mehr regenerieren. Ich musste dann oft den ganzen Tag dafür aufbringen, meine Stimme wieder auf Vordermann zu bringen, um am Abend wieder auftreten zu können. Wenn du mit angeschlagenen Stimmbändern spielst, dann geht irgendwann gar nichts mehr. Der Körper setzt dir dann Grenzen.
    Ich war in der TV-Serie „Kaisermühlen Blues“ zu sehen, in der Sitcom „MA 2412“ oder zum Beispiel in „Hinterholz 8“ im Kino. Das alles geschah ungefähr zeitgleich, innerhalb von wenigen Jahren und so entstand ein totaler Hype auf meine Person. Die Leute stürmten die Theater, ich spielte in der Wiener Stadthalle. Allekannten mich, und das war die Phase, in der ich merkte, dass mir das alles nicht gut tat. Ich wollte eigentlich nur Theater spielen und brauchte dieses ganze Drumherum nicht. Ich brauchte keine großen Premieren, keine „Home Stories“ bei mir zu Hause und ähnlichen Nonsens.
    Die einzige Möglichkeit, die mir einfiel, um aus diesem Schlamassel herauszukommen, war, die Erwartungshaltung des Publikums nicht mehr zu erfüllen. Ich startete dann ein Programm mit dem Titel „Die Viertelliterklasse“. Alle dachten, es würde wieder um Motorräder gehen. Bei der Premiere war ein ganzer Motorradklub anwesend, die mit Helmen und Motorradjacken im Publikum saßen. Ich konnte schon nach wenigen Szenen sehen, wie sich ihre Gesichter verformten und ihre Mundwinkel herunterhingen.
    In „Die Viertelliterklasse“ ging es um Alkoholismus. Das Programm handelte von vier Alkoholikern, die eines Nachts aufeinandertrafen und die etwas gemeinsam hatten: Sie alle waren hinter derselben Frau her. Ich spielte alle vier Männer, das war auch in dem Kinofilm so, der später daraus entstand. Damit war plötzlich alles anders. „Die Viertelliterklasse“ war etwas ganz anderes, als das Publikum von mir gewohnt war. Es war so, als würde man als Metallica-Fan auf ein Konzert gehen, und dann spielen die auf einmal Jazz. Man ist dann irritiert. Diese Irritation führte ich bei meinem Publikum sehr bewusst herbei. So eine Entscheidung ist natürlich mit Risiken verbunden, da dann mitunter das, was man sich über Jahre aufgebaut hat, in sich zusammenbrechen kann. Es sind nun auch deutlich weniger Zuseher in meinen Programmen, da ich kein „Family Entertainment“ mehr biete. Ich zerstörte mir ganz bewusst eine bestehende, breite Publikumswirksamkeit, indem ich Stücke spielte, die nicht mehr die Erwartungshaltung an meine Person erfüllten. Ich betrieb also „Destroying the Audience“. Jetzt kommen andere Leute in meine Shows, weil ich etwas ganzanderes mache als früher. Die, die jetzt kommen, wissen schon genau, was auf sie zukommt, und es ist ja nach wie vor lustig, was ich aufführe. In meinen Vorträgen wird wirklich viel gelacht, aber es kann niemand im Saal mehr sagen: „Das betrifft mich nicht.“ Man muss schon die Fähigkeit mit sich bringen, über sich selbst lachen zu können und bereit sein, über das Gehörte nachzudenken. Manche Dinge, die ich auf der Bühne von mir gebe, sind sicher nicht leicht zu verdauen.
    Clemens G. Arvay: Sind deine Programme jetzt weniger oberflächlich?
    Roland Düringer: Es kommt darauf an, was man unter „oberflächlich“ versteht. Meine alten Programme waren inhaltlich nicht

Weitere Kostenlose Bücher