Lebe deine eigene Melodie
zu existenziellen Fragen: Was will ich wirklich? Welche Werte möchte ich leben? Was sind meine Präferenzen? Wir können nicht wissen, wie zufrieden wir mit der gewählten Entscheidung sein werden, aber wir können versuchen, unsere Eigenwilligkeit zum Ausdruck zu bringen, indem wir Dinge konstellieren, die unser Wollen und Wünschen ausdrücken. Indem wir unsere übergeordneten
Werte die Führung übernehmen lassen und uns fragen: »Was brauche ich wirklich?« Machen wir mit diesen großen Entscheidungen etwas mit und für unser Leben: Wir geben ihm eine neue Richtung.
Gibt es den richtigen Weg?
Die meisten wünschen sich irgendeine Garantie dafür, dass sie für die noch verbleibende Zeit den richtigen Weg wählen. Wer geht schon gern ein Risiko ein? Tatsache ist aber, dass es keine Garantie dafür gibt, dass überhaupt ein Weg der richtige ist. Auf jedem Weg kann es Überraschungen, Unwägbarkeiten, Gefahren und Herausforderungen geben, die wir, wenn wir an einer Wegkreuzung stehen, nicht voraussehen können. Im Augenblick der Entscheidung wissen wir nicht, welche die langfristigen Konsequenzen unserer Entscheidungen sein werden. Manche erscheinen einem im Rückblick gut, manche schlecht, einige irgendwie dazwischen, und an viele kann man sich nicht einmal mehr erinnern.
Ich glaube, man sollte davon wegkommen, sich das Entscheiden nach den üblichen Lob- und Tadelsystemen, nach der Zweiteilung von richtig und falsch vorzustellen. Die Begriffe »richtig« und »falsch« erscheinen mir schlicht zu totalitär. Vieles, was wir entscheiden, geschieht situativ, zufällig, manchmal sogar mechanisch. Unser Leben ist kein Programm, das sich nach dem Modell von Input und Output abspult, oder einzuteilen ist in die Schubladen »richtig« oder »falsch«. Kategorisierungen sind suspekt, weil sie zu einfach gestrickt sind. Das ist auch der Grund, weswegen viele ein nagendes Gefühl beschleicht, sich immer für das Falsche entschieden zu haben und nie mit einer Wahl wirklich zufrieden sein zu können. Immer wieder nehmen sie sich vor, das nächste Mal anders zu wählen, aber schon im Wissen, dass sie auch diese Wahl wieder anzweifeln würden.
Es gibt vielleicht bessere und schlechtere Entscheidungen, aber niemals eine einzige unzweifelhaft richtige Entscheidung.
Stets bleibt die Frage: Könnte es nicht auch anders sein? Hierzu übersetze ich einen Ausschnitt aus einem Brief des italienischen Präsidenten Einaudi an seinen Enkelsohn aus dem Jahre 1953: »Eine Portion Skeptizismus ist wesentlich ... egal was Du tust, es muss immer begleitet sein von einem gewissen Vorbehalt. Was ich weiß und gelernt habe, ist nichts im Vergleich zu dem, was ich nicht weiß. Dieser Vorbehalt sollte Dich bis zum Ende Deines Lebens begleiten. Das bedeutet nicht, dass Du nicht entscheiden musst oder vor Unentschlossenheit erstarrst ... Unglücklicherweise ist die Wahl zwischen gut und schlecht niemals eindeutig. Das Wichtigste ist, dass Du erkennst, dass Du letztlich nicht weißt, was richtig ist. Was Du zu lernen hast, ist das mehr Wahre vom weniger Wahren zu unterscheiden. Du musst lernen, selbst zu denken.«
Letztlich treffen wir immer Entscheidungen unter dem Zeichen von Mehrdeutigkeit, Unsicherheit und Risiko. Leben heißt Wege gehen, die gepflastert sind mit Zufällen, Unvorhergesehenem, Unvorhersehbarem. Durch Entscheidungen konstellieren wir zwar verschiedene Wege, aber immer im Wissen, dass alles auch anders möglich sein könnte.
Deswegen gibt es letztlich nicht die richtige oder die falsche Entscheidung, sondern es gibt nur Entscheidungen mit kurzfristigen oder langfristigen Konsequenzen. Selbst wenn wir nicht entscheiden, hat das Konsequenzen. Wir machen uns selbst etwas vor, wenn wir meinen, die Konsequenzen vorhersagen zu können. Das Leben hat einen unerschöpflichen Vorrat an Überraschungen, Unberechenbarem, so dass wir mit jeder Entscheidung ein gewisses Wagnis eingehen. Selbst wenn eine Entscheidung zunächst eine gute zu sein schien, erweist sie sich später vielleicht als nachteilig – und umgekehrt. Da wir nicht wissen, was hinter der nächsten Wegbiegung auf uns wartet, bleibt uns nichts anderes übrig,
als bis zur nächsten Biegung mit unseren Wahlen zu leben. Dieses Denken schafft Entlastung in zweierlei Hinsicht: Es nimmt den Druck des Richtigmachens und bringt uns in einen Fluss, der weniger vom Machen als vielmehr vom Entdecken und Erforschen getragen ist, weil wir es mit der Frage zu tun bekommen: Was ist stimmig
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