Lebe deine eigene Melodie
Polarisierung den Entscheidungsprozess voranbringen. Jedenfalls tritt so rasch eine Entscheidung ein. Sie kann auch gegen Verreisen ausfallen, aber häufiger setzt sich das Gewünschte eher durch, weil man sich gegen die Einwände, nun besser zur Wehr setzen kann.
Dieser paradoxe Ansatz beruht auf einem altbewährten psychologischen Prinzip, dass ein Konflikt seine Festgefahrenheit verliert, wenn man sich probeweise auf die Seite des Unerwünschten stellt. Es geht darum, eine bestimmte Art von Energie freizusetzen, um seine eigenen Grenzen auszutesten und Hindernisse zu überwinden. Man kann daran üben, klare Entscheidungen zu treffen, besser zu spüren, was gut für einen ist. Und ein bisschen üben, was in der jüdischen Tradition als »Chuzpe« bezeichnet wird – nämlich Nerven haben.
»Ich habe da so ein Gefühl im Bauch«
Einige sind sehr fein auf diese Gefühle im Bauch eingestellt, andere lassen sie nicht zu Wort kommen und beziehen sie nicht in ihre Entscheidungen ein. Solange man
ausschließlich über die Konsequenzen einer Entscheidung nachdenkt, springen die Gedanken von einer Möglichkeit zur anderen und wieder zurück. Man verheddert sich im Abwägen unzähliger Vor- und Nachteile, Argumente und Gegenargumente. Während der Geist einem so ununterbrochen Beweggründe für sein Handeln liefert, enthält er einem die wirklichen Entscheidungsprozesse vor. Der Ratschlag: »Behalte einen kühlen Kopf« geht leider fehl, denn keine Entscheidung kommt ohne Gefühlsregungen zustande.
Der Punkt ist tatsächlich, dass wir mit unseren Gefühlen in Kontakt kommen müssen. Statt rein gedankliche Dialoge zu halten, empfiehlt es sich, seine Körpergefühle zu empfinden, die Emotionen und Sinneseindrücke, die eine Entscheidung begleiten. Das Gespür, was gut für uns ist, können wir üben. Welche Fragen auch immer uns beschäftigen, »Machen Sie eine Affektbilanz«, rät die Psychologien Maja Storch. Nehmen wir einmal an, Sie stünden vor der Entscheidung: »Soll ich zu meinem Freund in eine andere Stadt ziehen?« Dann stellen Sie sich alle Handlungsmöglichkeiten nacheinander vor, die Ihnen in den Sinn kommen – am besten so konkret und lebendig wie möglich. Und fragen Sie sich: »Welche Gefühle löst diese Vorstellung in mir aus?« Beispielsweise: Was empfinde ich, wenn ich mir den Alltag mit meinem Freund vorstelle? Wie geht es mir in der neuen Stadt, wo ich noch niemanden kenne? Wie wäre es, wenn ich vorerst noch nicht umziehe und ihn nur am Wochenende besuche?
Wichtig ist es, die einzelnen Gefühlsregungen überhaupt wahrzunehmen. Melden sich Gefühle der Erleichterung, der Befreiung, des Unbehagens, des Niedergedrücktseins, der Traurigkeit? Was setzt sich durch? Welches Gefühl gewinnt die Oberhand? Diese Gefühle gilt es, ernst zu nehmen und zu unterscheiden von Gedanken, die sich in Zweifeln, Sorgen oder Bedenken äußern.
Solange positive Empfindungen nicht aufkommen und eher ein Gefühl der Einengung eintritt, sollte man sich fragen: Warum widersprechen sich Kopf und Bauch? Habe ich Alternativen übersehen? Aus welcher Ecke kommen meine Bedenken? Was steckt hinter meiner Skepsis? Auch hier gilt es, Kopf und Bauch in den inneren Dialog mit einzubeziehen und beide zu würdigen. Ein sicheres Zeichen, dass man auf einem guten Weg ist, zeigt sich in einem körperlichen Gefühl der Weitung. Was gewinnt, ist letztlich die körperlich-seelische Reaktion, die uns auf den Weg und in die Handlung bringt.
Wenn die Angst größer ist als der Hund
Wie hören sich Ihre Selbstgespräche an, wenn Sie über das Älterwerden nachdenken und merken, dass Sie sich hängen lassen und Ihren eigenen Erwartungen nicht gerecht werden? Sind Sie wohlwollend, nachsichtig, verständnisvoll oder ...? Wenn Sie zu den Menschen gehören, die sich Vorwürfe machen, kritisieren oder ablehnen, dann haben Sie wahrscheinlich schon früh die Erfahrung gemacht, dass Fehler oder Schwächen dazu führen, dass man kritisiert, abgelehnt oder bestraft wird. Diese Angst sitzt tief und bewirkt, dass wir all das vermeiden, was wieder Anlass zu negativen Reaktionen geben könnte. Es kann aber auch sein, dass einem zu viel abgenommen wurde und deshalb nicht die Chance bestand, eigene Entscheidungen zu treffen: »Komm, ich mache es für Dich.« »Schau, so macht man das.« »Ich zeige Dir, wie es geht.«
Noch bevor das Kind überhaupt einen Fehler machen konnte, wurde ihm schon das Spielzeug aus der Hand genommen, weil es Eltern gibt, die zu
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