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Lebe deine eigene Melodie

Lebe deine eigene Melodie

Titel: Lebe deine eigene Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irmtraud Tarr
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Esssucht verabschiedete. Einen anderen interessanten Aspekt beschrieb eine Frau, die gerade noch rechtzeitig der Katastrophe von der Schippe gesprungen ist, weil sie es kurz vor ihrem 60. Geburtstag schaffte, dem Alkohol »Nein« zu sagen. »Ich wusste tief innen, dass ich die Katastrophe überflüssig machen könnte, wenn ich mit meinem Schicksal mitgehe, so dass es mich nicht gewaltsam unterwerfen muss. Ich durchschaute endlich, dass ich kapitulieren und aufhören muss, Widerstand zu leisten gegen das, was mir mein Leben retten würde. Es war mehr, als nur aufhören zu saufen, es hat mir meine Würde wieder geschenkt.« Wir kennen es aus unserem Leben, es gibt Anstöße aus der Tiefe unseres Unterbewusstseins, oder es tippt uns jemand auf die Schulter, weil er uns etwas sagen will. Hören wir zu? Oder müssen wir erst wieder hinhören lernen? Meist kommen im Stillen oder im Schweigen Antworten auf die Fragen, die uns in die Lage versetzen, einem inneren Muss zu folgen. Wie bei dieser Frau liegt es an uns, ob wir diesen Anstoß aufgreifen und die Verantwortung selbst übernehmen. Was wir dabei gewinnen, ist mehr als die Überwindung
einer Sucht. Es ist die Zurückeroberung der eigenen Würde, die wir nun mit Leben füllen – mit unserem eigenen selbstbestimmten Leben. Das Wichtigste dabei ist die Kraft unseres Willens. Nur das, was ich wirklich will und mir im Innern vorstellen kann, wird kraftvoll genug sein, um wirklich werden zu können. Das geht zwar nicht ohne Schwankungen ab. Aber mit einer gewissen Wachheit und Festigkeit sind wir diesen Schwankungen nicht ausgeliefert, wenn wir sie im Sinne unserer längerfristigen Wünsche und Ziele reflektieren und annehmen.
    Was will das Leben von mir? Diese Frage reinigt von der Selbstbezogenheit und befreit zum Mitschwingen mit dem, was ansteht. In diesem Sinn kann man wirklich sagen, dass wir durch unser Verhalten Katastrophen überflüssig machen, wenn wir die Absicht unseres Schicksals anerkennen und bejahen. Das Leben beabsichtigt ja nicht, mit Katastrophen zu arbeiten, sondern unser Verhalten ist es, das Katastrophen konstelliert. Unser Unterbewusstes gibt Anstöße und Signale in eine bestimmte Richtung, aber es zieht sich auch zurück, wenn wir sie nicht aufgreifen und umsetzen.
    Es gehört eine Menge Mut dazu, auch im Alter nicht damit aufzuhören, seelischen Entwicklungen zuzustimmen und sich auf sie einzulassen. Wer es schon früh geübt hat, sich immer mehr mit sich selbst auszufüllen, sich weiter zu entwickeln und zu bewegen, wird auch später nicht stehenbleiben. Wie können wir solche Entwicklungsanstöße ins Bewusstsein heben? Beispielsweise indem man ein Zukunftsbild etabliert, einen höherstufigen Wunsch, einen inneren Beistand oder eine Erinnerung – alles dies eignet sich, um einen in die gewünschte Richtung zu bewegen. Ein Beispiel, mit dem sich heutzutage viele identifizieren können, ist der Entschluss, eine Diät einzuhalten. Eine Klientin entwickelte für sich das Gegenbild einer stark übergewichtigen
Frau, die unter der Last ihrer Einkäufe ins Schwitzen und Keuchen kommt. Wann immer sie dem verführerischen Duft einer Bäckerei nachgeben wollte, erinnerte sie sich an diese Frau, und die Gier war verflogen.
    Große, langfristige Entscheidungen beschäftigen uns tiefer und nachhaltiger. Sie hängen nicht von einem entscheidenden Moment ab. Sie sind langwierige Prozesse, die aus vielen Schritten bestehen, bei denen es um die Substanz unseres Lebens geht. Peter Bieri nennt sie zutreffend »substantielle Entscheidungen«. Meistens beginnen sie mit einem Bewusstwerden, dass eine Veränderung ansteht und wirken lange, nachdem die Entscheidung gefällt wurde, weiter. Soll ich mich pensionieren lassen oder lieber weiter so leben wie bisher? Soll ich ins Ausland gehen oder lieber bleiben? Soll ich meine Beziehung beenden oder ihr nochmals eine Chance geben? Soll ich lieber allein leben oder mich auf eine neue Beziehung einlassen? Sollte ich nicht einmal meine Papiere ordnen oder weiter mich wie gehabt durchlavieren? Gegenläufige Fragen bringen hartes Ringen, Zweifel und Unsicherheit mit sich. Die Dinge, die es zu bedenken gibt, sind zahlreich und komplex. Man ist hin- und hergerissen. Die Qual der Entscheidung macht einen nervös und raubt einem den Schlaf.
    Der Konflikt der sich widerstreitenden Wünsche ist nur lösbar, wenn man sich mit einem der Wünsche identifiziert und den anderen ausschließt. Entscheidungen dieses Ausmaßes zwingen einen

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