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Lebe deine eigene Melodie

Lebe deine eigene Melodie

Titel: Lebe deine eigene Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irmtraud Tarr
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Galt es früher als erzwungene oder bedrohliche Durststrecke, so wird es zur notwendigen und ersehnten Oase ungestörten Innehaltens, das unsere Sinne für andere Welten der Wahrnehmung öffnet und so eine neue Qualität gewinnt. Eine Frau, die sich regelmäßig Auszeiten zum Wandern nimmt, sagt: »Auf diesen Wanderwegen erlebe ich immer wieder, wie ich eins werde mit der Welt. Der Weg, der Atem der Bäume, mein pulsierender Körper, mein weicher Schritt – ich bin ein Teil des Ganzen. Es gibt nichts Trennendes mehr. Es gibt mich, und ich gehöre dazu. Mehr brauche ich nicht.« Diese weitere Sicht führt durch das Selbst hindurch in größere Räume. Man sieht nicht mehr alles auf sich selbst bezogen, sondern öffnet sich auf eine neue Art der Welt und den anderen. »Ich muss nicht mehr um jeden Preis dabei sein, ich habe zuviel dafür bezahlt. Nun entdecke ich, dass ich es auch ganz schön mit mir selbst haben kann«, so
spricht eine Frau, die sich als »Entertainerin« ihres Mannes definiert hatte. Die falschen Anpassungen und das Bedürfnis nach sozialem Beifall relativieren sich, weil man einsieht, dass die »Kriegskosten« für äußeren Erfolg auf Kosten der eigensinnigen Lebensgestaltung gingen. »Es hat alles nichts genützt. Erst nachdem die mich alle im Stich ließen und niemand da war, als ich mal jemanden brauchte, habe ich schlagartig kapiert: ›Genug ist genug‹. Genug gerannt, genug eingeladen, gelächelt, geschluckt. Jetzt bin ich an der Reihe.« So eine Frau, die in der Öffentlichkeitsarbeit tätig war und nun den Freiraum zur eigenen Lebensgestaltung entdeckt hat. Zu diesem Freiraum gehört auch die Besinnung auf das Wesentliche in Beziehungen. Sich ernst nehmen reinigt von oberflächlichen Konventionen und Dazugehörenwollen, wenn der Preis zu hoch ist. Die Kompromisse werden hinterfragt, und das Werben um Beliebtheit tritt hinter die Konzentration auf tragende, intime Beziehungen zurück. Die Prioritäten verschieben sich, wenn man lernt, seine Zeit auch als Refugium des Innehaltens und Nach-innen-Hörens nutzt. Plötzlich können Selbsterkenntnisse aufscheinen, die unter den alltäglichen Anforderungen und Pflichten bisher begraben waren. Man entdeckt eine veränderte Situation, die plötzlich mehr als bisher mit den inneren Realitäten übereinstimmt.
    Fulbert Steffensky drückt es treffend aus: »Wir sind Glied in einer Kette, wir müssen nicht die Kette sein ... wir können in Heiterkeit Fragment sein.« Zu erkennen, dass man Fragment ist, kann entlastend sein. Man versteht plötzlich, dass man Gedächtnislücken hat, etwas langsamer reagiert, ohne dumm zu sein. Oder Liebhaber, Freunde und Aufträge verlieren kann, ohne unbedingt hässlich zu sein. Die Lektionen über die blinden Ungerechtigkeiten des Schicksals, über unsere Fehler stimmen milde. Und vielleicht entlassen
sie uns aus dem Krampf und Zwang, immer erfolgreich sein zu müssen. Wir wissen, es wird immer wieder etwas schiefgehen. Das ist unausweichlich, wenn man lange genug lebt.
    Innehalten schenkt Gelassenheit und Freiheit: Es ist nicht alles machbar, und wir sind auch nicht für alles verantwortlich. Dieses Wissen vergrößert die Distanz zu Enttäuschungen und erlittenen Niederlagen. Sie befreit von der Verzweiflung über die eigene Machtlosigkeit und gibt dem Leben Unabhängigkeit. Wir müssen nicht mehr alles sein. Die eigene Wirkung steht nicht mehr im Mittelpunkt, die Abhängigkeit von der Resonanz anderer verliert an Dringlichkeit. Innehalten kann die schlichte Erkenntnis bringen: »Ich bin, die ich bin«, ohne sich zu verurteilen oder abzuwerten.

Spuren hinterlassen
    Ich frage eine Geschäftsfrau, was ihr in der Zukunft wichtig sei. »Ich möchte mit 60 mehr als nur eine gute Beziehung zu meinem Hausarzt haben.« Ein Autor: »Ich möchte weiterschreiben. Am liebsten à la Goethe tätig bleiben.« Und ein Musiker: »Wie im Konzert: Nach dem brav bestandenen Pflichtprogramm werde ich noch ein paar eigene, mutige Zugaben komponieren. Man hat ja sowieso nichts zu verlieren.« So verschieden diese Aussagen ausfallen, gemeinsam ist ihnen, dass es nicht mehr darum geht, ausschließlich um sich selbst zu kreisen. Konsumieren, genießen, shoppen, Rockkonzerte, Dauerurlaub, Hobbys, Gesundheitsfetischismus erweisen sich irgendwann abgenutzt im Kampf gegen die Langeweile. Eifrig betriebene Selbsterfahrung und Selbstfindung werden irgendwann zu Selbstläufern. Die Gefahr ist, dass man sich trotz emsiger Beschäftigung selbst

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