Lebe lieber innovativ
Selbstverständlichkeit voraussetzen.
Genau so erlernt das Kind mit zunehmendem Alter jede weitere neue Fertigkeit, vom Fangen eines Baseballs bis hin zu Algebra. Es probiert alles so lange, bis es Erfolg hat. Von einem Kind würden wir niemals erwarten, auf Anhieb alles richtig zu machen – das sollten wir auch nicht von Erwachsenen erwarten, die komplexe Aufgaben übernehmen.
Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass die größten Lernerfolge darauf beruhen, dass man sowohl Erfolge als auch Fehlschläge erlebt. Es ist auch fast unmöglich, etwas zu lernen, was man nicht selbst versucht hat, und das bedeutet: immer wieder experimentieren und sich von den unvermeidlichen Fehlschlägen schnellstmöglich erholen. Mann kann nicht Fußball spielen lernen, indem man die Spielregeln liest, Klavierspielen lernt man nicht, indem man Notenblätter studiert, und Kochen lernt man nicht durch das Lesen von Rezepten. Das erinnert mich an die Zeit, als ich im Aufbaustudium Neurowissenschaften studierte. Ich hatte mehrere Kurse belegt, in denen wir die Prinzipien der Neurophysiologie »erlernten«, und bestand einen schriftlichen Test zu dem Lehrstoff. Doch erst als ich im Labor Nerven unter einem Mikroskop sezierte, sie auf winzige Elektroden spießte und die Regler des Oszilloskops selbst bediente, gelangte ich zu einem vollständigen Verständnis der Materie. Ebenso können Sie beliebig viele Bücher über Führungsqualitäten lesen, ohne dadurch die Fähigkeit zur Führung zu erwerben – die erhalten sie nur, indem Sie reale Herausforderungen meistern.
Genau das ermöglichen wir den Studenten im Mayfield Fellows Program , das ich gemeinsam mit Tom Byers, Professor für Betriebsführung und Ingenieurwesen an der Stanford , leite. 4 An diesem neunmonatigen Programm können jedes Jahr maximal zwölf Studenten der Stanford University teilnehmen.
Nach einer gut zweimonatigen theoretischen Einführung im Fach Unternehmertum anhand von Fallstudien arbeiten die Studenten den ganzen Sommer über in Start-up-Unternehmen. Sie werden in den Betrieben in Schlüsselfunktionen eingesetzt und intensiv von einer erfahrenen Führungskraft des Unternehmens betreut. Sie erleben aus erster Hand, wie es ist, bedrohliche Risiken, die jede Organisation betreffen können, zu erkennen und mit ihnen umzugehen. Sie werden dem Druck ausgesetzt, Entscheidungen auf der Grundlage von unvollständigen Informationen treffen zu müssen, und werden dazu herausgefordert, in einem sich ständig wandelnden Umfeld Führungsqualitäten an den Tag zu legen. Nach dieser intensiven Erfahrung im Sommer kehren die Studenten ins Seminar zurück – zur zehnwöchigen Nachbereitung ihrer Erfahrungen in den Unternehmen. In dieser Zeit muss jeder Student eine Seminarsitzung gestalten, in der eine wichtige Problemstellung behandelt wird, mit der er während seines Praktikums konfrontiert war.
Die Studenten im Mayfield Fellows Program gewinnen umfassende Erkenntnisse darüber, was es bedeutet, ein sich rasant entwickelndes Unternehmen in einer dynamischen Umgebung zu führen. Sie erleben, wie die Unternehmen mit Problemen umgehen, etwa mit plötzlichem Geldmangel, mit der Neustrukturierung nach einem Wechsel im Management, oder sie müssen dafür sorgen, dass ihre Spitzentechnologien störungsfrei funktionieren, und den Mut aufbringen, sich mit den Branchenriesen zu messen. Am Ende des Sommers wird den Studenten klar, dass nur eine Hand voll der Unternehmen, bei denen sie gearbeitet haben, auch in ein bis zwei Jahren noch weiter bestehen wird. Denn trotz ihres großen Engagements werden wohl viele dieser talentierten Teams scheitern.
Die gesamte Risikokapitalbranche investiert im Wesentlichen in Fehlschläge, da die Mehrheit der von ihr finanzierten Unternehmen früher oder später scheitert. Eine ähnlich geringe Erfolgsrate ist aber auch in anderen Branchen üblich, etwa in der Spielzeugindustrie, im Filmgeschäft und im Verlagswesen: Nach Angaben des Datendienstes der Verlagsgesellschaften, Nielsen Bookscan , wurden im Jahr 2004 in den Vereinigten Staaten 1,2 Millionen Buchtitel gedruckt. Nur 25.000 bzw. 2 Prozent davon erreichten Verkaufszahlen von mehr als 5000 Exemplaren, wohingegen sich das durchschnittliche Buch weniger als 500 Mal verkaufte. Es ist fast unmöglich vorherzusagen, welche Titel es auf die Bestsellerliste schaffen. Folglich geben die Verleger in der Regel eine breite Palette von Büchern heraus und hoffen, dass jedes ein Erfolg wird. Doch ihnen ist
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