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Lebe lieber übersinnlich - 02 - Dreams 'n' Whispers

Lebe lieber übersinnlich - 02 - Dreams 'n' Whispers

Titel: Lebe lieber übersinnlich - 02 - Dreams 'n' Whispers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiersten White
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seinen wahren Namen nicht mehr kannte und ihn somit nicht mehr kontrollieren konnte, fühlte ich mich Reth ausnahmsweise beinahe ebenbürtig. Zu wissen, dass ich ihm wehtun konnte, wenn es denn sein musste – wenn ich wollte –, löste in mir ein berauschendes Gefühl von Macht aus.
    Gesund war das wahrscheinlich nicht.
    Aber wenn er irgendwas Blödes anstellte und mich zwang, ihn auszusaugen, würde ich ihm bestimmt keine Träne nachweinen. »So, gibt es auch einen Grund für diesen Spaziergang? Mir ist nämlich ein bisschen kalt.«
    Reth lachte sein silbernes, klingendes Lachen und ich rückte unwillkürlich etwas dichter an ihn heran. Dann machte ich kopfschüttelnd einen entschlossenen Schritt zurück in Richtung Straße. Wir näherten uns dem Rand des dichten Waldes, der die kleine Stadt von allen Seiten begrenzte. Als ich zu ihm hinübersah, bemerkte ich zum ersten Mal, dass er sein Cover trug. Nicht, dass das wesentlich weniger atemberaubend gewesen wäre als sein wahres Gesicht, aber es überraschte mich. Als er noch für die IBKP gearbeitet hatte und verpflichtet war, sein Cover zu tragen, hatte er es so gut wie nie getan. Ich hatte keine Ahnung, wieso er es jetzt machte, wo er doch frei war. (Was übrigens zum großen Teil meine Schuld war, aber mal im Ernst, man kann wohl kaum von einem Mädchen verlangen, eine Fee zu überlisten und ganz nebenbei noch dem Tod zu entrinnen.)
    »Du frierst also immer noch, mein Herz? Da könnte ich Abhilfe schaffen.«
    »Ja, ja, schon klar. Danke, ich verzichte.« Ich rieb mir das Handgelenk, wo schwach der rosige Abdruck seiner Hand zu sehen war, der sich für immer dort eingebrannt hatte. Für dieses Leben hatte ich mehr als genug von seiner Wärme abbekommen.
    Reth blieb stehen, also tat ich es ihm nach und wandte mich ihm zögernd zu. Meine unterschwellige Wut brach sich langsam Bahn. Am liebsten hätte ich ihn angeschrien, mich auf ihn gestürzt. Er war Schuld an Lishs Tod – er war es gewesen, der Viv in die Zentrale gelassen hatte. Aber wenn er es nicht getan hätte, wäre ich der IBKP nie entkommen. Und es wäre mir ganz sicher nicht gelungen, Lend zu retten. Vermutlich säße er sonst immer noch in einer Zelle in der Zentrale und Vivian würde immer noch einen Paranormalen nach dem anderen töten. Allein bei dem Gedanken daran wurde mir schlecht.
    Nichts, aber auch gar nichts war mit Reth jemals einfach.
    »Was willst du hier?«, fragte ich, während mein gesamter angestauter Zorn abebbte und nichts als Erschöpfung zurückblieb.
    Er streckte den Finger aus, bis er fast mein Gesicht berührt hätte, dann aber hielt er kurz davor inne und streichelte nur die Luft. »Würdest du mir glauben, wenn ich sage, ich wollte dich einfach sehen?«
    »Nö.«
    Er lächelte. »Nein, das dachte ich mir. Am Anfang habe ich wirklich mit dem Gedanken gespielt, dich mitzunehmen. Das könnte ich, weißt du? Ich war immer sehr sanft mit dir.«
    »Sanft?« Ungläubig starrte ich ihn an.
    »Ja, mir ist es auch ein Rätsel. Wo andere Methoden doch so viel einfacher gewesen wären. Doch aus irgendeinem unerfindlichen Grund fühle ich mich von dir in den Bann gezogen und verspüre den Drang, stets zu deinem Wohl zu handeln.«
    »Sag mal, warst du bis jetzt nicht irre genug? Musst du tatsächlich immer noch ’ne Schippe drauflegen? Mein Wohl? Du hast mich entführt! Du hast mich verbrannt! Und du hast versucht, mich zu etwas zu machen, was ich niemals sein wollte!«
    »Evelyn, mein liebes Kind, nur weil du nicht verstehst, was zu deinem Wohl ist, heißt das noch lange nicht, dass ich es nicht tue. Und wenn das, was am besten für dich ist, dir gleichzeitig wehtut, nun, dann ändert das trotzdem nichts an der Tatsache, dass du zu dem werden musst, was du sein solltest.«
    »Du bist echt – ich – ARRRGH! Du hast wirklich keinen Schimmer, wie durchgeknallt du bist. Wenn du tatsächlich was für mich empfinden würdest, dann würdest du mir nicht immer wehtun. Aber du empfindest nichts, weil du dazu gar nicht fähig bist! Der Einzige, dessen Wohl dir wichtig ist, bist du selbst.«
    Seine Augen blitzten, ihr Gold verdunkelte sich. »Ich empfinde mehr für dich als jeder andere auf dieser traurigen, verrückten Welt. Ich hätte wohl kaum meine eigene Seele in dich hineinfließen lassen können, wenn es nicht so wäre.«
    Ich war froh, dass ich seine Seele, wie viel Reth mir auch immer davon gegeben hatte, zusammen mit den anderen freigelassen hatte. Zu wissen, dass ein Teil seiner Seele in

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