Lebe lieber übersinnlich - 02 - Dreams 'n' Whispers
würde. Zum zweiten Mal. Aber diesmal für immer.
Seine Augen blitzten vor Wut. »Schön, dass du dich an mich erinnerst.«
»Natürlich. Aber warum bist du immer noch hier?«
»Weil ich will, dass sie dafür bezahlen. Sie alle. Sie werden den Tag bereuen, an dem sie mich in dieses Gefängnis gesteckt haben.« Steve hatte schon immer eine Schwäche für Theatralik gehabt. Aber für den vollen Effekt hätte er bei seiner kleinen Ansprache noch eine seiner Geisterfäuste in die Luft recken müssen – fand ich.
Ich setzte mich wieder hin, den Rücken an die Tür gelehnt. »Tja, schätze, das ist dein gutes Recht.«
»Wie, willst du mich denn gar nicht exorzieren?«
»Nö. Nicht meine Baustelle.«
»Oh.« Er biss sich auf die Unterlippe – oder versuchte es zumindest, was aber wegen der ganzen Körperlosigkeitsgeschichte natürlich nicht klappte. »Na, und was jetzt?«
»Ooohh, ich hätte da ’ne Idee, kannst du es so aussehen lassen, als würden Käfer aus meiner Haut platzen?«
Er sackte ein paar Zentimeter tiefer und schwebte dort weiter. »Im Ernst?«
»Sieht doch bestimmt total cool aus. Wenn du willst, tu ich auch so, als hätte ich Angst.«
»Ach nein, es ist irgendwie nicht dasselbe, wenn du mir nur was vorspielst.« Er ließ sich auf Augenhöhe mit mir sinken, wobei seine untere Körperhälfte im Boden verschwand, was er jedoch gar nicht zu bemerken schien.
»Tut mir leid, aber da kann ich leider nichts machen.«
Eine Weile saßen wir da. Steve rutschte immer wieder hin und her, als fände er keine bequeme Haltung für seinen Geisterkörper.
»Ich hab eine Frage«, brach ich schließlich das Schweigen.
Er hob den Kopf. »Was für eine?«
»Ich kapier’s nicht. Ich meine, du hasst diesen Ort doch über alles, oder? Immerhin hast du Harakiri begangen, weil du noch nicht mal für ein paar Tage hier eingesperrt werden wolltest.«
»Stimmt. Und?«
»Und ich verstehe nicht, warum du nach alldem beschließt, die Ewigkeit ausgerechnet hier zu verbringen.«
Seine Augen wurden für einen Moment unscharf und die Umrisse seines Körpers schienen leicht zu vibrieren. »Ich – ich will – sie sollen bezahlen.«
»Klar, versteh ich ja. Aber abgesehen davon, dass du ihnen ein paar Albträume bescherst und auf die Nerven gehst, kannst du doch eigentlich gar nichts tun, oder? Alles, was du geschafft hast, ist, dich hier tausendmal wirkungsvoller einzusperren, als sie es jemals gekonnt hätten.«
Er ließ die Schultern hängen. Mann, der arme Kerl. Musste ich ihm denn wirklich jedes seiner Leben nach dem Tod versauen? Ich streckte die Hand aus, um ihm den Arm zu tätscheln, ließ es dann aber doch sein. Wahrscheinlich fühlte er sich nur noch mieser, wenn ich einfach durch ihn hindurchgriff. »Ähm, na ja, keine Sorge. Du sitzt ja nicht wirklich hier fest.« Ich wedelte ein bisschen mit der Hand neben seinem Arm rum, in der Hoffnung, dass das auch irgendwie tröstend rüberkam.
Er verlor bereits an Konturen. Es ist nicht leicht, sich an diese Welt zu klammern, wenn man tot ist, und wenn man ihnen erst mal den Willen zum Spuken nahm, machte es normalerweise einfach puff und sie verschwanden dorthin, wo sie eigentlich sein sollten. Wo auch immer das war.
Aber die meisten Leute hielten gar nicht so lange durch, bis sie den genauen Ort für den Exorzismus – oder, wie in diesem Fall, einfach für ein gutes altes Gespräch – gefunden hatten. Und das war der Grund, warum ich in der IBKP immer Poltergeistdienst schieben durfte.
Steve nickte. Seine Arme und Beine waren schon verschwunden. »Du hast recht. Vielleicht ist es an der Zeit, dass ich es doch mal mit dem Totsein versuche.«
»Das ist die richtige Einstellung!« Aufmunternd lächelte ich ihm zu.
»Danke. Zumindest kommt dann endlich einer von uns beiden aus diesem Albtraum frei.«
»Was? Ach, ich –« Ich wollte ihm erklären, dass ich schon längst frei und heute Abend freiwillig hier war – na ja, zumindest einigermaßen, schließlich hatte Jack mir keine Chance gelassen, ihn wieder wegzuschicken –, aber ehrlich gesagt wusste ich ja immer noch nicht so recht, was ich von dem Ganzen halten sollte, und hatte darum auch keine Ahnung, was ich Steve eigentlich erzählen sollte, außer dass ich keine Gefangene war, noch nicht mal eine Angestellte, und dass er nicht denken sollte, dass ich – Doch bevor ich überhaupt einen zusammenhängenden Gedanken fassen konnte, war er auch schon verschwunden. Und diesmal für immer. Hoffte ich
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