Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leben bis zum Anschlag

Leben bis zum Anschlag

Titel: Leben bis zum Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
Vom Netzwerk:
kümmern! Ich muss auch mal meine sozialen Kontakte pflegen.«
    »Räum deine Quarkschüssel ab!«
    Quark.
    Nora versucht Maika anzurufen, aber die geht nicht ans Telefon.
Keath geht ran. Und danach setzt sich Nora zu Yolanda, kuckt mit ihr fern, lackiert ihr die Fußnägel, und als sie schläft, schleicht sie sich raus.
     
    Alle Fenster von Leifs elegantem BMW M 5er sind heruntergelassen, und Maikas Haare kitzeln an ihrer Nase. Die leichte Abkühlung durch den Fahrtwind ist ein Genuss und der Ausflug eine Ablenkung von der Verkettung der trostlosen Ereignisse dieses beschissenen Tages. Leif fährt die Elbchaussee entlang, seine Hand ruht auf Maikas nacktem Schenkel. Auch das ist Maika angenehm, obwohl sich zwischen Haut und Haut ein leichter Schwitzfilm bildet.
    »Kannst du da direkt mit’m Auto hinfahren?«
    »Ja, faule Prinzessin.« In letzter Zeit war Maika mit ihren Gedanken weit von ihm entfernt. Leif will das ändern und sich präsenter machen. »Sind fünfzig Meter zu viel?«
    Fünfzig Meter schafft sie gerade noch. Dann sinkt sie auf Leifs Picknickdecke, fällt über die Picknickleckereien her und anschließend über den Picknickzubereiter.
    Genau so hat Leif sich das vorgestellt. Die ersten Sterne ziehen auf, hangabwärts glitzert die Elbe, im Jenischpark lagern viele und genießen die warme Sommernacht. Nur einmal fliegt ein Ball in ihre Richtung, kullert aus und bleibt an Maikas Schulter liegen.
    »Ich mach dich kalt, wenn du mich noch mal störst«, sagt Maika, ohne die Augen zu öffnen.
    Der Ballspieler hält das für glaubwürdig.
     
    Keath wartet schon im Park Fiction. Auf den Liegeflächen des Fliegenden Teppichs wird gechillt, gekichert, geknutscht und
dem Hafenklang gelauscht. Mit Zähnen und Klauen hat Keath für Nora einen vierzig Zentimeter breiten Streifen auf der Liegefläche verteidigt.
    »Das Konzert war der Hammer.«
    »Pst. Sag nichts. Ich hab mit Yolanda Quark gegessen.«
    Keath lacht leise. »Und was hast du mit Mehmet gemacht?«
    Nora sitzt schneller aufrecht, als der Start der Apollo 11 abging, und liegt schneller wieder neben ihm, als die Mondfähre auf dem Mond aufsetzen konnte. »Wieso?« Ihr Atem geht stoßartig.
    »Der war, im Gegensatz zu dir, total entspannt, als er zurückgekommen ist. Habt ihr euch ausgesprochen?«
    Entspannt? Entspannt?? Nora knetet Keaths Hand. »Wenn ich ’ne Waffe gehabt hätte, wär er jetzt total entspannt. Mit Betonung auf tot.«
    Auf der Treppe zum Golden Pudel Club sitzen welche und singen zur Gitarre. Gar nicht schlecht. Dazu sirren und schnurren Kräne, konstant heulen Gabelstapler, Schweißer schlagen im Trockendock auf Stahl ein.
    »Zwölf Millionen Container werden im Jahr umgeschlagen.« Nora rechnet. »Das sind 33 700 am Tag. Der Tag hat 86 400 Sekunden. Das sind 0,38 Container pro Sekunde. In beats per minute kommt auf jeden zweiten Herzschlag ein Container.« Sie lauscht an Keaths Brust. »Krass.« Dann küsst sie seine Brust. Keaths Atem geht schneller. »Tief durchatmen. Wenn du dich aufregst, bringst du den ganzen Hafen durcheinander.«
    »Wir müssen uns beruhigen. Alle starren uns schon an«, sagt er. Nora sieht sich um – niemand starrt. »Gehen wir irgendwo anders hin, wo nicht so viele sind.«
    Im Geiste hat Nora alle Plätze in ihrem Wohnblock abgehakt, vom Keller bis hin zum Dachboden. Bei ihr geht’s nicht. »Bei dir?«

    »Bei mir hängt Lucky ab.«
    »Wie du das sagst, klingt das gar nicht lucky.«
    »Hab ihn auch nicht eingeladen.«
    »Wer dann, deine Mutter?«
    Keath nickt. »Und er sich selbst.«
    »Wie lang bleibt er?«
    »Bis ich ihn rausschmeiße.« Er zieht Nora an sich heran. »Oder er mich. Ich bin auch daheim in der Minderheit.«
    »Also ein Freund ist er nicht, das ist klar.«
    »Ein Pseudo-Cousin. Das nigerianische Verwandtschaftsgefüge ist komplex. Sein Vater ist ein sehr entfernter Vetter von meinem Vater.«
    »Das heißt, es gibt kein stilles Örtchen für uns allein auf dieser Welt.«
    »Ausgestoßene sind wir und ohne Platz in der Herberge. Zum Glück haben wir uns.«
    »Das ist viel für dich, aber mir reicht es nicht«, sagt Nora traurig.
    Und Keath schüttelt sie durch, bis sie quietscht. Dann knutschen sie wild herum und kurbeln mit beschleunigten Herzschlägen wieder die Umschlagskapazität im Containerhafen an.
     
    Yolanda schläft tief und fest auf der Wohnzimmercouch, als Nora sich in ihr Zimmer schleicht.
     
    Lucky schläft nicht.
    Keaths Mutter hat einen leichten Schlaf, und deshalb hat sich

Weitere Kostenlose Bücher