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Leben bis zum Anschlag

Leben bis zum Anschlag

Titel: Leben bis zum Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
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kann!«
    »Organisier doch einen Ersatz.«
    »Damit er rumtönt, ich hätte ihn rausgeschmissen?«
    »Rede mit ihm. Was bist du denn auf einmal so unentspannt?«
    »Ich? Unentspannt?«, keift Nora zurück. »Seid ihr alle zu Moschusochsen mutiert oder wird diese Vokabel neuerdings zusammen mit Testosteron ausgeschüttet?«
    Sie reißt Dali seine Eiswaffel aus der Hand. »Wenn du jetzt fragst, ob Keath mich nicht gut durchfickt, mach ich dich kalt.«
Nora fuchtelt mit dem Eis vor ihm herum, als wolle sie es ihm in die Brust stoßen.
    Dali reißt die Hände hoch. »Lewandowskalingerin, hallo! Niemals!«
    Die Haselnusskugel klatscht auf Dalis rechten Fuß. Erträgt Flip-Flops und das schmelzende Eis läuft ihm zwischen die Zehen. »Hat Mehmet das …?«
    »Unter anderem, ja!«
    »Das ist …«
    »… das Leiden des Mehmet Gündür.«
    »Laberst du jetzt nur noch solo oder kann ich meine begonnenen Sätze selbst vollenden?«
    Bitte. Nora sagt nichts mehr.
    »Keath«, sagt Dali und verstummt.
    Sie kuckt ihn fragend an, dreht den Kopf dahin, wo Dali hinschaut, und da ist er.
    Wie er geht, wie er lächelt, alles beschleunigt unmittelbar Noras Puls. Er hat einen unglaublich guten Style und verwandelt mit seinen Secondhand-Klamotten von Humana den Gehweg zum Laufsteg. Blau-weißes T-Shirt, passend zur Alditüte und zu seiner dunklen Haut. Keath ist schön.
    Nora sagt: »Hi.«
    Keath klemmt die Plastiktüte zwischen die Beine, legt seine Hände um ihr Gesicht und küsst sie.
    Dali steht daneben und bemüht sich um einen neutralen Gesichtsausdruck.
    Es klingt freundlich, als Keath zu ihm sagt: »Kuck weg, wenn dir das nicht passt.«
    »Schon okay, Alter. Macht nur weiter so. Ich komme aus Bayern, Ausschweifungen sind mir nicht fremd.«

    Nora lacht hell auf. »Eh klar. Die frivolen Bayern.«
    »Wieso humpelst du?«, fragt Keath Dali.
    »Hab mir den Flip-Flop mit Eis an den Fuß geklebt. Das kühlt. Und du? Wohin des Wegs?«
    »Muss zur Bank.«
    »Vier ist doch schon rum«, sagt Nora.
    »Lewandowskalingerin, du bist der Zeit immer eine Nasenlänge voraus.« Dali hält ihr seine Digitaluhr unter die Nase: 15:41.
    »Auf öffentliche Uhren ist kein Verlass mehr«, murmelt sie. »Liegt garantiert auch an der Wirtschaftskrise.«
    »Kommst du mit?«, fragt Keath.
    »Ich muss Elvis verpacken.«
    Das Stichwort Elvis reicht aus, um Dali und Keath unisono in der Hüfte einknicken und loszappeln zu lassen.
    Nora zieht sich die Performance der Elvis-Poser nicht rein. Sie blickt demonstrativ in die Gegenrichtung über die beiden Fahrspuren der Reeperbahn in Richtung Große Freiheit. Auf dem Beatles-Platz vor Susis Show Bar stehen drei Glatzen mit ihren Pitbulls und starren sie an. Noras Albtraum im hellen Tageslicht. »Keath, Dali, kuckt mal! Da!«
     
    »Wir haben ihre Aufmerksamkeit«, sagt Sandro.
    »Drei gegen drei«, grinst Dennis.
    Fifty-fifty. Weichei-Dennis gegen die kleine Polenschlampe, das dürfte ein ausgeglichenes Kräfteverhältnis sein, denkt Ron, sagt aber nichts.
     
    Absurd, die Parallelverschiebung der beiden Dreiergruppen diesseits und jenseits der Reeperbahn. Ihre Bewegungen sind fast synchron. Sie lassen sich gegenseitig nicht aus den Augen.

    »Die wollen uns doch nicht am helllichten Tag die Fresse polieren?« , fragt Nora.
    »So blöd können die nicht sein.« Touristen sind unterwegs. Dali setzt zwar nicht darauf, dass sie sich beherzt dazwischenwerfen würden, falls es zu einer Schlägerei käme, aber immerhin gäbe es jede Menge Zeugen.
    »Darauf würde ich nicht meine Hand verwetten«, murmelt Keath und sieht sich hektisch um. Dann reißt er die Hand hoch, als wolle er jemandem ein Zeichen geben, bloß dass da keiner ist, den sie kennen.
     
    »Ich nehm den Nigger.« Ron quetscht mit der einen Hand die andere, bis die Knöchelchen krachen.
    »Und der Krüppel ist meiner«, macht Sandro klar und lässt Dali nicht aus den Augen. »Mit der Lederhose hab ich ’ne Rechnung offen.« Die Erinnerung an den Zusammenstoß mit dem Bayern vorm Club ist schmerzhaft. Jetzt humpelt er, ein leichtes Spiel, vermutet Sandro.
    Dennis verkneift sich einen Kommentar. Soll er etwa sagen: Super, dann mach ich das kleine Mädchen fertig?
    »Feiger Arsch«, knurrt Ron.
    Da sieht Dennis rot. Das geht zu weit! Am Halsband zieht er Conan eng an seine Seite. Was ihm selbst an Kraft fehlt, macht sein Hund an Wahnsinn wett. Conan tut alles für seinen Herrn. Er kennt die Signale und spannt die Muskeln an, bereit, jeden Befehl auszuführen.

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