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Leben bis zum Anschlag

Leben bis zum Anschlag

Titel: Leben bis zum Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
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Doch kurz bevor Dennis ihn auf Ron hetzt, kapiert er doch noch, dass der feige Arsch nicht ihm gegolten hat.
    Auf der anderen Seite hat sich einer in Bewegung gesetzt, und Ron sprintet ebenfalls los.

     
    Mit offenem Mund starrt Nora Keath hinterher. Ohne sich einmal umzusehen, verschwindet er mit langen Schritten zwischen den Leuten.
    »Ja, was …?« Dali bleibt die Spucke weg.
    Unablässig rollen Autos in beide Richtungen. Die Touristen gaffen und lassen sich Zeit, und die Einheimischen dreschen auf ihre Hupen ein, weil es ihnen nicht schnell genug geht. In Noras Kopf schwillt der Verkehrslärm zu einem Dröhnen an. Sie kann nicht mehr denken und bleibt wie vom Donner gerührt stehen.
    Dali wird umso hektischer. Der große Glatzen-Kerl rennt auf der anderen Seite an der Roten Katze und am Eros Laufhaus vorbei. Von Keath ist nichts mehr zu sehen. Aber die beiden anderen wollen die Fahrspur überqueren und Dali weiß, dass selbst auf Hamburgs achtspurigen Straßen und riesigen Kreuzungen immer ein paar Sekunden Ruhe einkehrt. Darauf warten die beiden mit ihren Hunden. Und schon ist es auch so weit. Sie schlendern zum Mittelstreifen. Noch zwanzig Meter und sie sind mit ihren Hunden bei ihnen.
    »Nora!« Dali versetzt ihr einen Rippenstoß.
    Das löst sie aus ihrer Erstarrung. Sie rennen los, nebeneinander, die Flip-Flops klatschen gegen ihre Fersen. Vom Mittelstreifen geifert und bellt ein Hund hinter ihnen her. Der rollende Verkehr stadteinwärts stockt. Gleich haben die da drüben auf der Straße allen Platz der Welt, während Nora und Dali den Fußgängern, Sonnenschirmen, Stühlen und Tischen ausweichen müssen. Es ist eng auf dem Gehweg.
    Was Nora aber am meisten am Weglaufen hindert, ist ihr Unvermögen zu verstehen, wieso Keath abgehauen ist und sie zurückgelassen hat – einfach so. Unsicher weicht sie Müll, Scherben, Bierdosen aus. Dauernd rennt sie jemand vor die Füße. Ein
paar Kerle in knallroten TSV-Gehlheinstetten-T-Shirts, deutlich angesoffen, machen Anstalten, sich ihr in den Weg zu stellen. Aber als sie über Noras Schultern die Typen hinter ihr auf sich zurennen sehen, lassen sie sofort davon ab.
    »Bleibt stehen!«
    Nora wird am Arm gepackt und weitergezerrt. »Eiere nicht so rum, verdammt noch mal«, brüllt Dali, »und komm endlich!«
     
    »Stopp! Oder ich lass den Hund los!«
    Das ist Dennis: feige, hinterhältig, brutal und schamlos. Sandro vermeidet, den Passanten ins Gesicht zu sehen. Beinahe ist er peinlich berührt, aber da die beiden endlich stehen bleiben, ist seiner Meinung nach das drastische Mittel doch gerechtfertigt.
     
    Dali blickt der unausweichlichen Eskalation entgegen. Nora hat ihn ausgebremst. Seit dem Stopp-Gebrüll hat das Klatschgeräusch der Flip-Flops schlagartig aufgehört. Stattdessen hat Dali das große Bedürfnis, auf den kleinen Glatzenträger einzuschlagen. Was für ein infantiles Arschloch – mit dem bösen Hund drohen! Kindisch und wirkungsvoll, eine Menge Passanten sind wie bei der Reise nach Jerusalem mitten in der Bewegung erstarrt. Alle kennen Kampfhund-Geschichten aus den Medien: Die Köter verbeißen sich, kriegen die Zähne nicht mehr auseinander und reißen Fleischstückchen aus dem Opfer, das daraufhin verblutet. Was ist denn mit der verdammten Maulkorbpflicht? Wo sind die Bullen, wenn man sie braucht?
    »Mach du aus dem Kleinen Hackfleisch, ich aus dem andern«, sagt er zu Nora.
    »Gib mir das Herrchen von King«, sagt Nora leise, »den mach
ich platt. Ich zerfetz ihn in der Luft. Du kannst dafür den Kleinen haben.«
    Dali grinst breit.
    Die Tische, Stühle und Sonnenschirme auf dem Gehweg gehören zu Theresas polnischem Restaurant und trennen Nora und Dali von den knurrenden Hundehaltern und ihren Hunden. Die Gäste, die sich bei der Hitze am Bier oder einer Krakauer laben wollen, werden in ihrer Funktion als Bollwerk empfindlich am Genuss gestört, sagen aber nichts.
    »Lass uns durch die Lincolnstraße abhauen«, flüstert Dali.
    »Keine gute Idee.« Dort gibt’s nur Hecken, Ratten, zugemüllte Parkplätze, sonst nichts. Hier stehen wenigstens zu Salzsäulen erstarrte Leute herum, von denen sich Nora erhofft, dass sie ihre Augäpfel und Lippen bewegen können. Ein paar wanken und schwanken immerhin zwischen Gut und Böse.
    »Ruft die Polizei! Hilfe!«, ruft Nora ihnen zu. Ihr Handy ist im Rucksack.
    Keine Reaktion. Alle haben Schiss, dass Hunde auf sie gehetzt werden und sich Glatzen in Dreiviertelhosen auf sie schmeißen.
    Aus schmalen

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