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Leben bis zum Anschlag

Leben bis zum Anschlag

Titel: Leben bis zum Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
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Keath über die Jahre angewöhnt, quasi lautlos mit dem geringstmöglichen Bodenkontakt einzuschweben.
    Lucky, sein Cousin, fährt erschrocken zusammen, als er Keath plötzlich in der Zimmertür stehen sieht. Da steht Keath schon
länger, denn es ist sein Zimmer, und er hat zugesehen, wie Lucky das dritte Regalbrett von unten systematisch durchwühlt und durchsucht hat. Sogar die CD-Hüllen hat er geöffnet, die CDs rausgenommen, wieder hineingetan und zurückgestellt.
    »Suchst du was? Kann ich dir vielleicht helfen?«
    »Verdammt!«, brüllt Lucky und schlägt theatralisch seine Faust aufs Herz. »Willst du mich umbringen?«
    Keath fixiert Lucky. »Ja.«
    »Ich hab die Scheibe von Tony Allen gesucht.« Luckys Stimme kiekst vor Empörung.
    Keath, ganz ruhig: »Steht unter A. Du bist schon bei K wie Fela Kuti.«
    »Wieso schleichst du dich so ran, Mann?«
    »Wieso brüllst du hier mitten in der Nacht so rum?« Immer noch ruhig.
    »Was soll der Krach?« Das gilt Keath, klingt vorwurfsvoll und kommt von seiner Mutter. »Ihr gebt auf der Stelle Ruhe!«
    »Ich schließ ab jetzt immer ab. Klar? Hier hat niemand was verloren außer mir. Raus aus meinem Zimmer.«
    Keath zahlt Miete an seine Mutter. Lucky textet sie zu. Er residiert im Wohnzimmer und von daher dringen Worte wie respect und my Aunty und your son und no respect durch die Wand.
    Keath dreht den Schlüssel um. Für ihn steht fest: Lucky ist in Aktivitäten der nigerianischen Mafia involviert. Er kann den Stress, der auf ihn zukommt, schon riechen, und Luckys Drogendealer-Gangsta-Rapper-Goldketten-Outfit geht ihm genauso auf die Nerven wie der tägliche Viertelliter Gangster-Eau-de-Toilette, den sein Pseudo-Cousin über sich ausgießt, während er in seinen, Keaths, T-Shirts steckt, obwohl er einen Kopf kleiner ist.
    Selbst wenn er auf einem Stuhl stünde, würde er nicht mit
den Händen die alte Vorhangschiene aus Holz erreichen. Auf der bunkert Keath sein schwarzverdientes Geld.
    Er holt es herunter, verpackt es in Zeitungspapier und stopft es zusammen mit seinen Trainingsschuhen in eine Plastiktüte. Morgen wird er es in einem Bankschließfach unterbringen und abwarten, bis seiner naiven Mutter der Gast im Wohnzimmer so auf die Nerven geht, dass sie ihn rausschmeißt.
    Das wird nicht lange dauern, darauf könnte Keath seine Kohle verwetten. Und das ist nicht wenig.

Track #06
06 Verrat
    »Willst du ’n Eis?«
    Seit fünf Minuten faselt Dali ununterbrochen von Janina Joh, der Kunstreferendarin: was sie zu seinem Bild gesagt hat, die Farbe ihrer Klamotten, ihre Frisur und wie sie riecht … »’ne Mischung aus Haselnuss und Vanille. Bei der Hitze! In der sechsten Stunde!« Dali reißt den Arm hoch und zieht sich seinen Achselhöhlendampf rein.
    »Dein Deo wird von der scharfen Note Löwenkäfig beherrscht.«
    Ehe Nora zur Seite springen kann, packt Dali ihren Arm und schnüffelt daran.
    »Hä? Wie macht ihr das? Lasst ihr Weiber euch die Schweißdrüsen rausmachen?«
    »Du bist peinlich.« Nora stellt sich für ein Eis an, dann zischt sie Dali zu. »Sieh dich doch mal um! So schöne Mädchen und du laberst ohne Ende nur von der Joh.«
    »Yoh, ich liebe nun mal die Kunst, und sie ist oberkünstlerisch.« Dann sieht er sich um. Doch, was hier so rumsteht und Eis schleckt, gefällt ihm auch, fast alle. »Mir geht’s wie Mehmet.« Dali klopft sich mit der Faust aufs Herz. Sehr theatralisch.

    »Okay. Jetzt ist es ja endlich raus. Das ganze Gefasel über Gefühle hat doch nur dem einen Zweck gedient, von der Künstlerin auf den sensiblen DJ zu kommen.«
    »Ich quatsch dir nicht rein.«
    »Zweimal Haselnuss und Vanille bitte«, sagt Nora zur Eisverkäuferin und zu Dali: »Das wär ja wohl auch das Letzte.« Sie zahlt und drückt Dali seine Eiswaffel in die Hand.
    Er schleckt, seufzt und murmelt etwas, was nach »… genauso kühl, frisch, nussig und süß wie sie …« klingt.
    Nora sieht sich nach einer Uhr um, überm Apothekenschild ist eine:. Schon so spät? Stress! Freitags steht nach der Schule und vorm Putzen die Versandaktion der Online-Bestellungen von Elvis-Devotionalien auf ihrem Arbeitsplan.
    »Mehmet leidet.«
    »Blödsinn. Er lässt leiden.«
    »Dich?«
    Nora zuckt mit den Achseln. »Was soll ich denn am Dienstag machen? Legt er jetzt auf oder nicht?«
    »Ich weiß nichts darüber«, sagt Dali.
    »Tja, ich auch nicht. Da kommen dreihundert Leute und wollen feiern, und ich weiß nicht, ob der große Meister so leidet, dass er nicht auflegen

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