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Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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hübsche Blonde verlegen. „Wie das alles gelaufen ist und so.“
    „Ah ja“, gab Sascha zurück. Mit einer Entschuldigung konnte er leben. Damit war das Thema für ihn durch. „Schon okay. Es wäre früher oder später eh herausgekommen. Haben deine Alten Krach geschlagen?“
    „Anfangs ...“, gab Kai zu. „Aber dann nicht mehr ... ich meine, bei dir ist das ja eh was anderes als bei mir.“
    Sascha hickste und suchte mit einer Hand Halt an der Wand: „Was? Wieso?“
    Kais Augen leuchteten auf, als hätte er auf diese Frage gewartet. Er klemmte die Daumen in die Gürtelschlaufen und erklärte im Brustton der Überzeugung: „Ich bin ja nicht schwul oder so. War ja nur aus 'ner Laune heraus. Das verstehen meine Eltern schon.“
    „Was?“
    „Na, du weißt schon. Ich steh auf Mädchen. Ich bin jetzt mit Corinna zusammen. Sie ist total sexy.“
    „Sexy?“ Sascha konnte nicht anders, er begann zu lachen. „Sexy? Sie ist nicht einmal eine richtige Frau, Mann! Sie ist ... ein Weiß-nicht-was. Und was heißt, du bist nicht schwul? Du hast darum gebettelt, mir an den Schwanz gehen zu dürfen!“
    „So war das gar nicht.“
    „Natürlich war das so! Ich war dabei. Erinnerst du dich? Du warst so verdammt geil, dass du beinahe in deine Jeans gespritzt hast. Wie kann man da nicht schwul sein?“
    Kai wich zurück und sah sich erschrocken um. Sascha war zu betrunken, um zu bemerken, dass er die Stimme weit über normales Niveau erhoben hatte. Ein paar Partygäste schauten durch den Aufgang der Treppe zu ihnen hoch.
    „Erzähl nicht so einen Scheiß“, wisperte der ehemalige Spielgefährte heiser. „Ich bin nicht schwul. Das mit dir war eine einmalige Sache.“
    „Eine Phase?“, fragte Sascha bissig. Das hatte er doch heute schon einmal gehört.
    „Genau.“ Kai wirkte erleichtert. „Nur eine Phase. Ich meine ... du warst ja auch nicht in mich verliebt oder so.“
    Ungläubig zog Sascha die Nase kraus, konnte nicht glauben, dass er diesen kleinen Idioten nicht eher durchschaut hatte. Vorzugsweise, bevor sie miteinander auf dem Sofa erwischt wurden.
    „In dich feiges Stück verliebt?“, schnaubte er. „Sicher nicht. Es bringt nichts, schwul zu sein, wenn man sich dann Kerle ohne Eier in der Hose sucht. Und weißt du was? Fick dich. Fick dich, deine Corinna und ärgere dich in zwanzig Jahren tot, weil du zu viel Schiss hattest, um du selbst zu sein.“
    Mit dieser Ansage ließ er Kai stehen und verließ das Haus durch die Vordertür. Jeder Gedanke daran, sich in sein Zimmer zu begeben und den Krach der Party weiterhin in den Ohren zu haben, war unerträglich.
    Die ersten paar Schritte ging Sascha noch, dann begann er zu rennen. In Schlangenlinien lief er über die Dorfstraße, wich den altbekannten Schlaglöchern aus und nahm einen Weg, den er tausend Mal gegangen war. Die Nacht war klar, die Sterne viel besser zu sehen als in Hamburg. In den umliegenden Häusern war es ruhig. Kein Motorengeräusch weit und breit, kein Fahrrad, das ihm entgegen kam. Nur in einiger Entfernung sah er einen Mann mit seinem Schäferhund spazieren gehen.
    Sascha keuchte. Seine Zunge klebte ihm am Gaumen und er hatte unerträglichen Durst. Die Flasche Tequila schlug gegen sein Bein und lockte. Trinkend überquerte er die Kreuzung, an der das kleine Restaurant lag, in dem seine Mutter früher manchmal ausgeholfen hatte. Die Fenster waren freundlich erleuchtet und überzogen sein blasses Gesicht mit einem ungesunden Gelbton.
    Er rannte weiter. Allein sein. Weg vom Haus seiner Eltern, weg von der Party, von seinen ehemaligen Klassenkameraden, weg von Kai.
    Sascha konnte nicht richtig denken. Alles, was er wusste, war, dass er den ganzen Ärger wegen eines Typen auf sich genommen hatte, der das, was zwischen ihnen gelaufen war, verleugnete. Eine Phase. Da hatten bestimmt noch mehr Eltern mit Pfarrer Siebenstetter gesprochen.
    Corinna und Kai. Bah. Sascha hatte verflixt noch mal nichts gegen Frauen und schon gar nichts gegen Männer. Wenn man ihn fragte, war Corinna eine verkappte Lesbe. Er verschluckte sich, als er auflachte. Eine Lesbe und ein Schwuler zusammen in einer Pseudo-Beziehung. Geil.
    Etwas Feuchtes berührte seine Wangen. Vielleicht ein paar Regentropfen, die von den Bäumen fielen. Was auch sonst?
    Die vertrauten Umrisse seiner alten Grundschule tauchten vor ihm auf. Es war ein schlankes Gebäude, das vor einigen Jahren mit viel Liebe restauriert worden war. Die Gemeinschaft der Eltern hatte der Schule einen großartigen

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