Leben im Käfig (German Edition)
Schultern: „Keine Ahnung. Ich gehe davon aus, dass er mal vorbeikommt.“
Bloß nicht zeigen, wie eng ihre Beziehung war. Bloß keinen Verdacht aufkeimen lassen. Bloß nicht zugeben, dass Sascha mittlerweile glatt einen eigenen Hausschlüssel brauchen konnte. Heimlich sandte Andreas ein herzliches Dankeschön in Richtung Ivana, die sie deckte und nie darüber sprach, wie oft er Besuch bekam.
Richard nickte: „Das freut mich.“
Tut es nicht, grollte Andreas im Stillen. Irgendetwas läuft hier quer und du willst gutes Wetter machen, bevor der Hammer fällt.
Trotz allen Misstrauens war er erleichtert. Es sah nicht aus, als suche sein Vater ein Gespräch über seine auffallend enge Bindung an Sascha.
Eine Weile schweigen sie sich an, bevor Richard tief Luft holte und Andreas ernst ansah: „Es nutzt nichts. Du bist alt genug.“
Er machte eine kleine Pause, in der sein Sohn in Windeseile überlegte, welche Szenarien mit einem solchen Satz beginnen mochten.
„Es geht um deine Mutter. Sie ...“, suchte der Vater nach Worten. „Machen wir es kurz. Deiner Mutter geht es in letzter Zeit nicht gut. Vielleicht ist dir aufgefallen, wie gereizt sie ist. Wir waren inzwischen bei mehreren Ärzten.“
Irgendetwas an dieser Eröffnung tat Andreas sehr weh. Vielleicht, dass ihm niemand Bescheid gegeben hatte. Vielleicht aber auch, dass er vor nicht allzu langer Zeit allein ... egal. „... und es sieht aus, als müssten wir uns ein paar Gedanken machen.“
„Was fehlt ihr?“ Auf einmal hatte Andreas Angst.
„Nichts Ernsthaftes“, sagte sein Vater schnell. „Keine Sorge, ich würde es dir sagen, wenn es anders wäre. Es ist nur ... sie ist überarbeitet. Du weißt, wie sie isst. Das letzte Jahr ist über ihre Kräfte gegangen. Sie wurde sorgfältig durchgecheckt. Ich weiß gar nicht im Einzelnen, auf was sie sie alles untersucht haben. Wichtig ist nur, dass sie nicht krank ist. Aber sie braucht dringend Ruhe.“
Andreas unterdrückte ein Schnauben und wich dem Blick seines Vaters aus. Ganz abgesehen davon, dass er sich innerhalb von fünf Minuten zwei Mal zu Tode erschreckt hatte, fragte er sich, was diese Eröffnung sollte.
Dass seine Eltern zu viel arbeiteten, war nichts Neues. Dass seine Mutter dabei an die Grenzen ihres Leistungsfähigkeit geriet, ebenfalls nicht. Es war nicht seine Schuld, dass sie kein vernünftiges Maß zwischen erfolgreicher Konzernführung und Privatleben fanden.
„Sie sträubt sich natürlich, aber wir müssen ihr in dieser Sache helfen“, fuhr sein Vater fort. „Das heißt, wir müssen alles von ihr fernhalten, über das sie sich aufregen könnte. Gerade hier zu Hause.“
Der versteckte Vorwurf traf Andreas wie eine unsichtbare Ohrfeige. Druck lastete auf seiner Brust, als er den Kopf senkte und langsam nickte.
Ihm war bewusst, dass er seiner Mutter das Leben schwer machte. Allein seine Anwesenheit führte dazu, dass sie sich mit Vorwürfen marterte. Sie quälte sich, wenn sie mit ansehen musste, dass er eingepfercht in seinem Zimmer lebte. Vielleicht war es am besten, wenn er ihr in nächster Zeit aus dem Weg ging. Wenn sie ihn gar nicht erst sah, kam sie nicht in Versuchung, über ihren missratenen, lebensunfähigen Sohn nachzudenken.
„Gut“, murmelte er kaum verständlich.
„Schön, dass man mit dir über so etwas reden kann“, lächelte Richard gezwungen und lockerte seine Krawatte, bevor er hinzufügte: „Aber das ist noch nicht alles. Was Margarete eigentlich fehlt und was die Ärzte ihr dringend empfehlen, ist ein Kuraufenthalt. Aber du weißt ja, wie sie ist. Erstens kann kein Mensch der Welt sie dazu bringen, sechs Wochen lang die Geschäfte ruhen zu lassen. Und zweitens müsste man erst einen Platz finden und die meisten Kurkliniken heutzutage haben keinen guten Ruf. Wie gesagt, sie will nicht und umsetzen lässt es sich auch nicht. Also habe ich ihr eine Alternative vorgeschlagen.“
Andreas hob wieder den Kopf. Dass sein Vater wie ein Wasserfall redete, sich erklärte, war mehr als ungewöhnlich. Ihm kam der Gedanke, dass er ihm doch nicht alles verriet. Etwas Unausgesprochenes stand zwischen ihnen im Raum. War seine Mutter doch kränker als Richard ihm sagte?
„Glücklicherweise bist du ja mittlerweile erwachsen und kannst damit umgehen. Wir werden dieses Jahr etwas länger Urlaub machen als sonst. Deiner Mutter zuliebe. Wir fliegen in zwei Tagen nach St. Moritz.“
„Und wie lange bleibt ihr?“, rutschte es Andreas betroffen heraus. Es war der 18.
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