Leben im Käfig (German Edition)
leid.“ Mit einem geschlagenen Ausdruck in Augen setzte Andreas sich auf. Nun war er es, der die Hand ausgestreckt hielt und stumm um Nähe bat. „Ich vergesse mich viel zu oft. Ich weiß das. Ich ... es geht mir nicht so gut damit. Es macht mir Angst, aber das soll keine Entschuldigung sein. Sorry. Sascha? Sei nicht böse ... Bitte.“
„Ich bin nicht böse. Nur ein bisschen gestresst“, unterbrach Sascha den zerhäckselten Strom angefangener Sätze. „Schule und so. Und Fabian hat sich irgendwie etwas getan. Bei uns ist auch Chaos angesagt.“
„Oh, das tut mir leid.“ Wenn möglich, war Andreas nun noch zerknirschter als zuvor. „Kann ich ... willst du darüber reden? Oder kann ich etwas tun?“
Andreas konnte etwas tun, aber Sascha kam sich schäbig dabei vor, ihn in dieser Situation mit seinen Hausaufgaben zu belasten. Vielleicht später. Hoffentlich verschwanden die von Winterfelds bald. Am besten auf Nimmerwiedersehen.
„Ja, du kannst etwas tun“, sagte Sascha geistesabwesend. „Du kannst rücken.“
„Wie bitte?“
„Du blockierst das ganze Bett“, erklärte er mit einem schiefen Grinsen.
Und Andreas rückte. Letztendlich zog Sascha es jedoch vor, auf seinem Freund Platz zu nehmen statt neben ihm.
Sie knutschten ein bisschen, hielten sich aneinander fest. Als Sascha die Wange gegen Andreas' Brustkorb drängte und sich von ihm den Rücken kraulen ließ, war er enttäuscht, dass er nicht den gewohnten Frieden in dessen Berührungen fand. Etwas gärte in ihm. Etwas, das schon lange latent vorhanden war und durch die Ereignisse der letzten Zeit Nahrung erhielt.
Andreas fand auch keine Ruhe. Zu viele Dinge gingen ihm durch den Kopf und er schämte sich in Grund und Boden, dass er Sascha nicht gegeben hatte, wonach der sich sehnte. Wie es aussah, war er nicht nur ein mieser Sohn, sondern auch ein schlechter Freund.
Kapitel 44
„Und runter damit!“
Sie tranken gleichzeitig. Mit dem Hut des Fläschchens auf der Nasenspitze und sich schüttelnd, als sich der süße Likör durch ihre Kehlen fraß.
Zwei Mädchen fächerten sich mit einer Hand gegenseitig Luft zu, während die Herren der Schöpfung sich erhaben gaben. Nur ihre geröteten Wangen ließen ahnen, dass der Alkohol nicht ohne Wirkung blieb.
Der halbe Jahrgang zuzüglich einiger jüngerer Schüler tummelte sich in der Doppelgarage von Erbses Eltern. Zwei röhrende Heizlüfter und ein mittelalterlich anmutender Radiator kämpften gegen die Kälte an, die jedes Mal in den Raum drang, wenn Gäste durch die Hintertür in den Garten verschwanden. Dort standen zwei Grills im Schnee und liefen auf Hochtouren.
Hopsend und zur dröhnenden Musik tanzend versuchten einige sich warmzuhalten, doch am besten half das ein oder andere Glas Glühwein, den Erbses ältere Schwester großzügig ausschenkte.
„Melone?“, fragte Isa Sascha grinsend und hielt ihm ein großzügig bemessenes Stück entgegen.
Er zuckte die Achseln und griff zu. Nach dem Grillfleisch, das er verputzt hatte, war etwas Frisches nicht schlecht. Sich umsichtig nach vorne beugend biss er in das saftige Melonenfleisch, nur um überrascht die Augen aufzureißen.
Als er geschluckt hatte, hustete er und fragte: „Was ist da denn drin?“
„Wodka natürlich“, lachte Isa gut gelaunt. „Warum die Melone beleidigen, indem man sie pur isst? Wir haben die Schale aufgebohrt und von oben den Wodka hineingegossen. Schmeckt super.“
Tat es. Und nicht nur die Melone schmeckte hervorragend, wenn man sich an den Beigeschmack gewöhnt hatte, die ganze Party war toll. Ja, es war trotz aller Bemühungen kalt, aber es gab gute Musik, leckeres Essen und viel zu trinken. Von den netten Leuten ganz zu schweigen.
Entspannt lehnte Sascha an der Wand und lachte zusammen mit ein paar Bekannten über die skurrilen Vorschläge für die Abiturzeitung, an der fleißig gefeilt wurde. Eine wahnwitzige Idee übertraf die Nächste, wobei einige Scherze auf Kosten der Lehrer ins Bösartige abdrifteten.
Sascha war angetrunken und fühlte sich wohl in seiner Haut. Der Joint, der vor einer halben Stunde die Runde gemacht hatte, tat sein Übriges, um ihm das Gefühl zu geben, zum ersten Mal in dieser Woche entspannt zu sein. Alles würde sich finden. Alles. Bei ihm, bei Andreas, bei ihren komischen Familien. Und das Abi? Kein Thema für ihn.
„Nächste Runde“, rief Mark; ein riesiger Sportfanatiker, der über seiner Jacke das Trikot einer amerikanischen Football-Mannschaft trug.
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