Leben im Käfig (German Edition)
ändert, meine Liebe. Du warst es doch, die meinte, wir müssen etwas tun. Nun, ich habe etwas getan. Selbst wenn es Andreas eines Tages besser geht, wird er nie der Mensch sein, der unsere Firma führen kann. Was liegt da näher als zu hoffen, dass er früher oder später eine Frau trifft, die die passenden Qualifikationen mitbringt? Und wenn er dieser Frau begegnet, soll er da ein gänzlich unbeschriebenes Blatt sein und so seine Chancen verbauen? Weil er keine Ahnung hat, wie man mit einer Frau umgeht? Abgesehen davon kannst du das nicht verstehen. Jungen in seinem Alter brauchen ab und an mal eine weiche Frau im Bett. Das gehört zum Erwachsenwerden dazu.“
„Wie gut, dass du genau weißt, was er braucht.“ Schnelle Schritte näherten sich der Tür. „Ach, und nur damit wir uns nicht falsch verstehen ... Im Schlafzimmer brauchst du heute Nacht nicht auftauchen. Ruf doch diese Schnepfe an, ob sie dir das Bett im Gästezimmer warmhält.“
Diese Worte rissen Andreas aus seiner Starre. Eilig zog er sich in sein Zimmer zurück und ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen. Er hörte, wie seine Mutter nach unten stürmte. Überfordert starrte er auf seinen schwarzen Monitor, hatte keine Ahnung, ob er lachen oder toben sollte. Im Augenblick war ihm noch nach Lachen zumute, aber er hatte keinerlei Zweifel, dass sich das schnell ändern würde.
Fuck.
Yasmin war eine Nutte, pardon, eine Escort-Dame. Deswegen war sie an ihm interessiert gewesen. Ja, es ging ihr um Geld, aber nicht, weil er eine gute Partie war, sondern weil sein Vater sie bezahlte. So einen unwilligen Kunden wie ihn hatte sie sicher noch nie gehabt.
Er hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht laut zu kichern. Das durfte man keinem Menschen erzählen. Sein eigener Vater, der es nicht schaffte, ihn zu fragen, was er sich wünschte oder was er brauchte, entschied, dass Andreas eine Frau haben sollte. Und zwar nicht nur eine Frau für eine Nacht, sondern langfristig eine zum Heiraten.
Verdammt. Das Grinsen wich aus seinem Gesicht. Ein unsichtbarer Ring legte sich um seine Kehle und zog sich langsam zusammen.
Heiraten. Heiraten, damit der Konzern nicht ohne Führung blieb. Heiraten, weil er selbst unfähig war und seine Eltern ihn abgeschrieben hatten. Heiraten, um jemanden in die Familie zu holen, der den Aufgaben gewachsen war, die Andreas nicht bewältigen konnte. Vom logischen Standpunkt aus machte diese Idee Sinn. Sie befreite ihn von dem Druck, der seit seiner Geburt auf ihm lastete. Er konnte sich eine starke Frau suchen und hinter ihr in den Schatten treten, während sie die Geschicke der Firma lenkte. Im 21. Jahrhundert sollte das kein Problem darstellen, wäre da nicht die Kleinigkeit gewesen, dass er keine Frau haben wollte.
Schlagartig wurde ihm das Ausmaß der Pläne seines Vaters bewusst. Er wollte eine Frau für seinen Sohn finden. Nicht ahnend, dass Andreas mit Frauen gar nichts anfangen konnte. Sie würden ihn wieder neuem Druck aussetzen. Sie würden ihn dazu treiben, etwas zu tun, was er nicht tun wollte.
Was, wenn er sich sperrte? Was, wenn er sich verweigerte? Was, wenn der Punkt kam, an dem er sich outen musste? Was, wenn sie ihn aus dem Haus wiesen, ihm die Sicherheit seiner vier Wände stahlen? Wollten sie ihn loswerden? War das der Kern dieses Schmierentheaters?
In Andreas' Kopf begann es sich zu drehen. Eine Überlegung führte zur nächsten und eine war schlimmer als die andere. Ein Gefühl überwältigender Einsamkeit übermannte ihn. Es schüttelte ihn von innen nach außen. War sein Dasein nicht schon Alptraum genug? Mussten sie es noch schlimmer machen? Gab es für ihn denn gar keine Erleichterung? Niemanden, der ihm zur Seite stand, mit dem er reden konnte? Nur zwei Angestellte, bei denen er sich nicht zu öffnen wagte und seine Eltern, die er nicht schon wieder enttäuschen konnte?
Seine Welt erschien ihm zu eng, zu klein. Zu viel Spiegelfechten und zu wenig echte Aufmerksamkeit.
Sein Blick fiel wieder auf seinen Monitor. Aufmerksamkeit. Sascha war aufmerksam und nett gewesen. Nicht auf die Weise, die Andreas sich wünschte, aber besser als nichts. Ihm wurde bewusst, dass er einen Fehler gemacht hatte. Jemand wie er konnte es sich nicht leisten, potentielle Freunde zu vertreiben, nur weil sie als Liebhaber nicht infrage kamen.
Er brauchte dringend einen Freund, der ihn aufmunterte und in der Realität verankerte. Und vielleicht würde er eines Tages auch in der Lage sein, einem echten Freund sein Herz
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