Leben im Käfig (German Edition)
Haut in die Jeans zu schlüpfen, war ein Kampf. Als er endlich angezogen war, merkte er, wie ihm das Wasser aus den Haaren über den Rücken rann und das frische Oberteil benetzte. Verdammt. Er schnappte sich das Handtuch und rieb die Strähnen brutal hinein, um sie möglichst schnell zu trocknen. Als er damit wenig Erfolg hatte, griff er schweren Herzens zum Föhn. Zwar würde er gleich aussehen, als hätte er in eine Steckdose gefasst, aber das war immer noch besser als das Modell Nasser Pudel .
Andreas bändigte gerade die dunkelbraune Pracht mit einem Haarband, als es unten klingelte. Hatte er wirklich so lange gebraucht oder war Sascha eher gekommen; gierig auf die DVD? Auf nackten Füßen hastete er aus dem Bad in Richtung Treppe, als er auch schon hörte, wie die Tür geöffnet wurde.
Ivanas freundliche Stimme drang zu ihm hoch: „Ja bitte?“
„Ups, hallo. Frau von Winterfeld? Ich wollte zu Andreas“, hörte er Sascha sagen und verbiss sich ein Lachen. Seine Mutter wäre nicht begeistert, wenn sie wüsste, dass man sie mit der fülligen Haushälterin verwechselt hatte.
Ivana selbst wirkte ebenfalls verwirrt: „Oh, was? Nein, ich bin nicht Frau von Winterfeld. Ich ...“
„Schon gut, ich kümmere mich darum“, rief Andreas von oben und merkte erst mitten auf der Treppe, dass er keine Socken anhatte. „Komm rein, Sascha.“
Den überraschten Blick Ivanas ignorierte er geflissentlich. Er war viel zu beschäftigt, die gut aussehende Erscheinung des anderen Teenagers in sich aufzusaugen wie ausgetrockneter Schwamm. Hoffentlich merkte Sascha nicht, dass Andreas ihn mit dunklen Augen praktisch auszog.
„Da bin ich“, grinste Sascha schief, als er seinem Gastgeber auf halber Höhe der Treppe begegnete. „Na, alles erledigt?“
„Klar“, entgegnete Andreas eine Spur kurzatmig. Den Bruchteil einer Sekunde hatte er keine Ahnung, wie es weitergehen sollte, bevor er mit dem Daumen über seine Schulter deutete: „Da geht’s lang.“
Sascha folgte ihm, als er mit weichen Knien in sein Zimmer ging. Die Überraschung des Gastes angesichts der Einrichtung gab Andreas etwas Zeit, wieder zu Atem zu kommen und sich zu fragen, wie sein Revier auf einen Fremden wirken mochte.
Nicht, dass sein Zimmer spektakulär gewesen wäre. Es entsprach lediglich seinen Bedürfnissen.
Er brauchte einen großen Lebensraum, der in seinen Ausmaßen fast an ein enges Appartement erinnerte. Die beiden Fenster Richtung Garten und die Tür waren die einzigen Lücken in der fast nahtlos geschlossenen Wand aus Regalen und Schränken. Selbst über dem breiten Bett, das zwischen den Fenstern stand und weit in den Raum ragte, hing ein massives Regal. Kein Zentimeter Stauraum durfte verschenkt werden. Der gewaltige Flachbildfernseher mit DVD-Player und diversen Spielkonsolen war in die Schrankwand gegenüber dem Bett eingelassen.
Am auffälligsten waren aber die vielen Bücher und DVDs, die dem Zimmer das Flair einer Bibliothek vermittelten.
Sascha sah sich überwältigt um. Er drehte sich um sich selbst und versuchte, die neuen Eindrücke zu verarbeiten. Schließlich fragte er lachend: „Du hast also Bladerunner . Das war wohl die Untertreibung des Tages. Gibt es irgendeine DVD, die du nicht hast?“
„Unmengen. Aber nicht viele, die mich auch interessieren“, gab Andreas zu. Er war nicht sicher, ob er stolz auf seine Sammlung sein sollte oder ob sie ihn endgültig als Freak enttarnte.
Mit Argusaugen beobachtete er, wie Sascha ein paar Schritte in den Raum machte. Ob es arg auffiele, wenn er sich setzte? Seine Knie waren schrecklich weich.
Nervös schielte er zu seinem Bett und ließ sich schließlich auf die Matratze fallen, die bebenden Hände zwischen die Oberschenkel geklemmt. Es konnte keine Rede davon sein, dass er eine Panikattacke hatte, wie er erleichtert feststellen musste. Er war nur sehr, sehr aufgeregt.
„Holla, wer hat dir die denn alle geschickt?“ Sascha war mittlerweile an seinem Schreibtisch angekommen und betrachtete das Meer aus Postkarten, die kreuz und quer an der Pinnwand befestigt waren. „Da ist ja alles dabei von Tokio bis San Francisco.“
„Geschickt?“, schüttelte Andreas verwundert den Kopf. Er mochte seine Sammlung, sah sich die Fotografien gerne an, wenn er sich eingesperrt fühlte. Der Anblick der weißen Sandstrände, Jahrhunderte alter Bauwerke und schneebedeckten Berggipfeln tröstete ihn. „Niemand. Ich habe sie nach und nach im Internet bestellt.“
Dieses Geständnis brachte
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