Leben im Käfig (German Edition)
sollte. Sein erster Impuls war ein herzliches „Ja, natürlich.“ Doch schon in der nächsten Sekunde wurde ihm klar, dass er noch nie Filme verliehen hatte; an wen auch? Aber Sascha würde mit seinen Schätzen bestimmt ordentlich umgehen, nicht wahr? Nachdem er sie abgeholt hatte, hieß das.
Moment, nachdem er sie abgeholt hatte? Andreas' Herz machte einen Satz nach vorne und drohte aus seiner Brust zu springen. Das war seine Chance, Sascha wiederzusehen. Jetzt. Gleich.
Nervosität kribbelte durch seine Gliedmaßen und er konnte nicht sagen, ob es eine positive oder negative Energie war, die von ihm Besitz ergriff. Vermutlich beides.
Angst. Musste er Angst haben? Sicher, er hatte immer Angst, wenn er mit der Außenwelt zu tun hatte. Nur war Sascha nicht mehr fremd. Und er würde zu ihm kommen. Auf sein Terrain.
Stell dich nicht so an, feuerte Andreas sich innerlich an. Du musst ihm doch nur die Tür aufmachen und die DVD in die Hand geben. Oder ihn kurz nach oben bitten? Ja, das wäre wohl besser.
Sein Zimmer, sein Schutzbunker. Hier war er sicher. Es würde funktionieren, es musste funktionieren. Und wenn nur deswegen, weil er Sascha verzweifelt gerne wiedersehen wollte.
„Andreas?“
Mist, er musste antworten. Sascha sollte nicht wissen, wie sehr ihn seine Frage überrascht hatte: „Sorry, ich hab ihn gerade aus dem Regal geholt. Ja, sicher. Kann ich dir leihen.“
„Super, dann komme ich am besten gleich rüber zu euch. Okay?“
Aufgeregt wollte Andreas schon eine Bestätigung durch die Leitung schicken, als ihm siedendheiß etwas einfiel. Mit unangenehm berührter Miene sah er an sich herunter, fand eine ausgewaschene und nicht mehr ganz schwarze Cargohose, deren Beine er abgeschnitten hatte, und ein formloses T-Shirt, das ebenfalls bessere Tage gesehen hatte. Geduscht hatte er heute auch noch nicht.
Keine Chance, dass er sich Sascha noch einmal so abgerissen präsentierte wie bei ihrer ersten Begegnung. Nein, das würde nicht passieren. Auch dann nicht, wenn Sascha ein Hetero war und nur freundschaftliches Interesse an ihm hatte. Es war eine Frage des Stolzes und auch des Wohlbefindens.
„Warte noch mal“, hackte er hektisch in die Tastatur. “Ich muss vorher noch etwas erledigen. Einen Anruf. Komm doch in einer halben Stunde vorbei, ja?“
Ja, es war eine Lüge, aber er wollte ums Verrecken nicht zugeben, wie vergammelt er an manchen Tagen herumlief. Es interessierte ja niemanden, wie er aussah. Zähne putzen und Haare kämmen reichte ihm morgens oft.
„Alles klar, lass dir Zeit. Bis gleich.“
Andreas machte sich nicht die Mühe, sich auszuloggen. Wie von der Tarantel gestochen raste er zum Kleiderschrank und suchte nach frischen Sachen. Er legte nur wenig Wert auf Kleidung. Viele seiner Hosen waren alt und hatten ihre Farbe verloren, waren teilweise am Po und zwischen den Beinen zerschlissen. Da er keinen Unterschied machte zwischen Oberteilen, die er beim Sport trug und solchen, die er im Alltag anhatte, waren auch die meisten T-Shirts aus der Form gegangen. Schließlich fand er eine neuere Jeans und ein strahlend weißes Muskelshirt, das er sonst aufgrund der hellen Farbe selten trug.
Mit seiner Beute im Arm stürzte er ins Bad und zog sich hektisch aus, unterdrückte ein Keuchen, als er sich unter den noch kalten Wasserstrahl stellte. Der Schock brachte seinen Kreislauf in Wallung, als er sich einseifte. Er fluchte, als er Shampoo auf seinen Haaren verteilte und mit den Fingern in den nassen Strähnen hängen blieb.
Kaum war der letzte Schaum im Abfluss verschwunden, sprang er aus der Dusche und verlor auf den nassen Fliesen prompt das Gleichgewicht. Schmerzhaft stieß er sich den Unterarm am Waschbecken, konnte sich aber abfangen. Das hätte ihm gerade nicht gefehlt, dass er Sascha die Tür mit einer Platzwunde an der Stirn oder einer blutenden Nase aufmachte.
Während er sich abtrocknete, warf er einen skeptischen Blick in den Spiegel. Zum Glück hatte er sich am Vortag rasiert, sodass nur ein leichter Schatten auf seinen Wangen lag. Wie immer war er blass und das durch das Wasser fast schwarze Haar verstärkte diesen Eindruck. Unter seinen Augen lagen dunkle Ringe, die ihn älter wirken ließen, als er war.
Ansonsten konnte er sich vermutlich sehen lassen. Er war trotz des Trainings im Keller nicht übermäßig muskulös, eher sehnig und schlank. Der Ansatz seiner Bauchmuskeln war deutlich zu erkennen. Seine schiere Körpergröße besorgte den Rest.
Mit noch halb nasser
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