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Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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fernsehen.“ Dankbarkeit trat in Tanjas Augen: „Ich bin froh, dass du mir das abnimmst. Wirklich froh. Ohne Aiden ...“
    Sascha verstand. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass sein Umzug nach Hamburg nicht nur ihm Vorteile brachte. Wenn er genauer darüber nachdachte, war Tanja trotz ihrer gelassenen Fassade vielleicht überfordert mit ihrem Leben. Zwei Kinder, der Mann weit fort, ein Job, der viel Aufmerksamkeit und Leidenschaft von ihr forderte, dazu das Haus, das in Schuss gehalten werden wollte.
    Er nickte seiner Tante noch einmal zu und machte sich auf den Weg. Nervös war er nicht. Seiner Erfahrung nach gab es nichts, was man nicht mit einem reuevollen Blick und einem Lächeln aus dem Weg schaffen konnte.
    Er verließ den Garten seiner Tante über den Plattenweg und stand kurze Zeit später vor der weiß getünchten Jugendstilvilla der Nachbarn. Es war ein imposantes Gebäude, aber das galt für alle Häuser in dieser Gegend. Hinter den Fenstern war es ruhig. Offenbar hatte niemand das kleine Unglück bemerkt. Das bedeutete schon einmal, dass niemand im Garten gewesen war und sich beschweren konnte, den Baseball um ein Haar an den Kopf bekommen zu haben.
    Mit zwei großen Schritten sprang er auf das Podest vor der Haustür und suchte die Klingel. Sascha hörte es im Inneren läuten, aber keine Schritte. Er wartete, wippte auf den Fußballen und schlenkerte mit den Armen. Nach kurzer Zeit drückte er ein weiteres Mal auf die Klingel, dieses Mal ein bisschen länger. Als sich wiederum nichts tat, wollte er sich zum Gehen wenden. Doch als er gerade im Begriff war, sich umzudrehen, hörte er es drinnen poltern. Rasche Schritte näherten sich und plötzlich wurde die Tür hektisch aufgerissen.
    Das erste, was Sascha einfiel – und was angesichts der Situation reichlich unpassend war – war: Wow, solche Schultern will ich auch. Der zweite Gedanke lautete: Oh ... wie sieht der denn aus?  
    Eine verschwitzte Vogelscheuche hatte ihm die Tür geöffnet, angetan mit einer ehemals schwarzen, jetzt grauen Jogginghose und einem weißen Unterhemd, das am Hals ausgeleiert war. Saschas Libido, die wie ein Bluthund stets zuerst den Körperbau eines anderen Jungen oder Mannes bewertete, schwelgte im Anblick der breiten Schwimmerschultern, während sein Verstand sich fragte, wie ein so junger Kerl dermaßen verbraucht aussehen konnte. Es lag nicht an den langen, wirren Haaren oder den ausgetretenen Turnschuhen. Man konnte auch nicht sagen, dass sein Gegenüber hässlich war, aber sein Gesicht war eingefallen, die Wangen hohl. Linien um den Mund ließen ihn älter wirken, als er vermutlich war.
    Er sah krank aus.
    „Ehm ... hey“, begann Sascha. Er war aus dem Konzept geraten. War das der mysteriöse Er, dem seine Tante lieber nicht begegnen wollte? Er hatte mit jemand Älterem gerechnet. „Ich bin Sascha, ich wohne nebenan ...“
    Eigentlich war jetzt der richtige Zeitpunkt für den anderen, etwas zu sagen, doch er starrte Sascha lediglich an und gab keinen Ton von sich.
    „Ja ... ich weiß nicht. Hast du es zufällig gerade krachen hören?“
    Der Fremde zog eine Augenbraue hoch und deutete auf die Kopfhörer eines MP3-Players, von denen einer noch in seinem rechten Ohr hing. Sascha fragte sich, wie man das Klirren auf der Terrasse nicht mitbekommen, aber die Klingel hören konnte, aber vielleicht war ja gerade ein Titel zu Ende gewesen, als er schellte.
    „Wie dem auch sei ... kleines Unglück“, er zuckte die Achseln und lächelte hoffentlich gewinnend, „unser Baseball ist zu euch geflogen und irgendetwas hat gescheppert. Ich hoffe nur, wir haben keine Fensterscheibe erwischt.“
    „Oh“, öffnete der Langhaarige zum ersten Mal den Mund. „Warte hier.“
    Bevor Sascha etwas sagen konnte, schloss sich die Tür vor seiner Nase. Überrascht starrte er auf das weiße Holz. So etwas Unfreundliches hatte er selten erlebt. Gut, ja, sie hatten wahrscheinlich etwas kaputt gemacht. Aber war das ein Grund, ihn wie einen Bittsteller vor der Tür stehen zu lassen? Sie konnten doch gemeinsam den Schaden begutachten.
    Für einen verrückten Moment stellte er sich die Frage, ob der andere Kerl überhaupt hier wohnte. So wie er aussah, passte er nicht in die Hamburger Highsociety. Was, wenn er in die Villa eingestiegen war?
    Sascha lachte sich selbst aus. Genau, er war mitten in einen Raubzug geraten. Gut, dass er endlich in Hamburg war. Daheim hatte er in seiner Langeweile eindeutig zu viele schlechte Krimis im Fernsehen

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