Leben Ist Jetzt
dass die Kinder ihren Weg gehen, auch wenn der anders aussieht, als man sich das vorgestellt hatte. Die alten Eltern sollen
sich weder dafür entschuldigen, was sie in der Erziehung verkehrt gemacht haben, noch sollen sie sich für unfehlbar halten. Sie haben getan, was sie tun
konnten. Sie haben gegeben, was sie geben konnten. Vielleicht hatten ihre Kinder manchmal das Gefühl, es sei nicht genug gewesen. Aber jetzt haben die
Kinder die Verantwortung, aus dem, was sie bekommen haben, etwas zu machen. Die alten Eltern sollen vertrauen, dass sie den Kindern genügend mitgegeben
haben, das ihnen hilft, ihr Leben zu meistern. Dann werden die Begegnungen mit den Kindern von Gelassenheit und Vertrauen geprägt sein und nicht von
Belehrungen oder Vorwürfen.
Enkel und Großeltern – eine besondere Beziehung
Großeltern gehören zu Beginn des 21. Jahrhunderts zu den wenigen positiv besetzten Altersbildern, sagen die Soziologen. Die gemeinsame
Lebenszeit von Großeltern und Enkeln ist wegen der erhöhten Lebensdauer so lange wie nie. Noch nie hatten so viele Enkel Großeltern. Das ist positiv und
unterscheidet die Beziehung von der Eltern-Kind-Beziehung. Denn Kinder reiben sich oft an den Eltern. Sie wachsen heran, indem sie von den Eltern lernen,
aber auch, indem sie sich von ihnen abgrenzen. Ihre Reifung geschieht immer in Beziehung zu den Eltern. Und da jeder Reifungsprozess durch Krisen
hindurchgeht, ist auch die Beziehung zu den Eltern ambivalent. Die Eltern fühlen sich für die Kinder verantwortlich. Daher müssen sie Grenzen setzen,
korrigieren, kritisieren, erziehen. Das ruft immer auch den Widerstand der Kinder hervor. Doch in diesem Ringen miteinander wächst das Kind heran und wird
reif.
Die Beziehung zwischen Enkeln und Großeltern ist oft deswegen besser und besonders, weil sie unbelastet ist. Die Großeltern haben keine unmittelbare
Verantwortung für die Enkelkinder. Sie können einfach zuhören, was ihnen die Enkel erzählen. Von ihrer eigenen Lebenserfahrung her können sie alles
gelassener sehen. Und sie geben den Enkelkindern Sicherheitund Geborgenheit. Bei ihnen fühlen sich die Enkelkinder daheim, verstanden,
angenommen. Und die Großeltern sind normalerweise großzügiger, die Wünsche der Enkelkinder zu erfüllen. Da gibt es ihr Lieblingsessen, wenn die Oma
kocht. Oder aber die Oma erzählt interessante Geschichten von früher.
Enkelkinder hören ihren Großeltern gerne zu, wenn sie aus der Vergangenheit erzählen. Sie sind so etwas wie personifizierte Erinnerung und vermitteln
damit Erfahrungen und Werte, die sie früher gelebt haben. Das ist etwas anderes, als wenn jemand die Gegenwart ausblendet und nur in der Vergangenheit
lebt. In solchen Erzählungen wird Geschichte weitergegeben und die Enkel merken, dass sie auch in einer größeren Tradition leben und mit früheren Zeiten
durch die eigene Familiengeschichte verbunden sind. So wird auch ihr Horizont erweitert. Und auch größere Zusammenhänge ihres eigenen Lebens werden
bewusst.
Viele Großeltern blühen auf in ihrer neuen Rolle. Sie haben eine gute Beziehung zu den Kindern. Und sie sind dankbar, dass sie
gebraucht werden, dass die Enkel gerne zu ihnen kommen und an ihnen hängen. Mein Bruder ist ganz stolz, dass seine Enkelin so von ihm
schwärmt. Mittagsschlaf möchte sie nur neben dem Opa machen. Meine Schwester erzählte mir, wie ihre Enkelkinder in den USA an ihr und ihrem Mann hängen,
wenn sie mal für ein paar Wochendort zu Besuch sind. Die älteste Tochter muss mit ihren 8 Jahren, bevor sie in die Schule geht, noch
kurz zu den Großeltern ins Bett. Warum sucht die Enkelin bei den Großeltern diese Geborgenheit, die ihr die Eltern doch auch in vorbildlicher Weise geben?
Offensichtlich können Großeltern eine andere Form von Sicherheit und Geborgenheit schenken als die jungen Eltern. Alte Menschen strahlen Zuversicht aus:
„Du schaffst das schon in der Schule.“ Die Enkelin muss erst etwas von dieser Geborgenheit in sich aufnehmen, bevor sie in die Ungeborgenheit der Schule
hinaus kann. Kinder spüren, dass von den Großeltern etwas Besonderes ausgeht: die Weite, die Milde, das Verstehen, das Vertrauen ins Leben, die
Erfahrung. All das gibt den Kindern das Gefühl von Sicherheit und Halt. Und sie spüren, dass sie im Kontakt mit den Großeltern an ihren Wurzeln Anteil
haben. Sie haben teil an ihrer Lebenserfahrung, an ihrer Kraft, das Leben zu meistern.
Oft können sich
Weitere Kostenlose Bücher