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Leben Ist Jetzt

Titel: Leben Ist Jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Grün
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schön beurteilt zu werden. Ich muss in mir selbst stehen. Ich muss den eigenen Reichtum meiner Seele wahrnehmen. Dann treten solche
     Ängste in den Hintergrund.

    Es ist oft nur die erste Phase des Älterwerdens, die den Frauen zu schaffen macht. Wenn sie sich dann ausgesöhnt haben mit ihrem
     Alter, dann entwickeln sie oft ganz andere Werte. Die feministische Bewegung hat den archetypischen Bildern der weisen Alten neue Aufmerksamkeit geschenkt
     und von neuem das Bild der Hexe entdeckt: Hexe nicht im negativen Sinn, sondern als Verkörperung von Weisheit der Natur, von innerer Freiheit und von
     Fähigkeiten, die Menschen zu verzaubern und zu lenken.

    Die Situation älterer Frauen ist verschieden, je nachdem ob eine Frau Kinder hat oder kinderlos geblieben ist, ob sie verheiratet ist,
     verwitwet oder alleinstehend. Meine Mutter war 61 Jahre alt, als sie ihren Mann verlor. Sie hat danach noch dreißig Jahre gelebt. Sie hat ihren Mann sehr
     geliebt. Aber sie hat nach seinem Tod nicht nur getrauert. Sie hat neue Fähigkeiten in sich entdeckt. Sie ist innerlich gewachsen und hatmehr und mehr ihre eigene Identität entdeckt. So gibt es alte Frauen, die sich ausgesöhnt haben mit ihrem Schicksal – sei es der
     Tod ihres Mannes, der Tod eines Kindes, die Kinderlosigkeit – und ihre eigenen Stärken entwickeln. Es gibt aber auch Frauen, die daran zerbrechen,
     dass ihr Mann sie noch im Alter verlassen und sich einer jüngeren Frau zugewandt hat. Eine Frau hat alles für ihren Mann getan. Sie hat ihm den Rücken
     frei gehalten, damit er seine verantwortungsvolle Arbeit in der Firma leisten konnte. Jetzt nach der Pensionierung verlässt er sie und zieht zu einer
     jüngeren Frau. Das ist eine tiefe Verletzung. Die Frau kommt kaum darüber hinweg. Es ist verständlich, dass solche Verletzungen einen Menschen zerbrechen
     können. Manche werden dann bitter und verzweifeln an ihrem Leben. Sie machen sich nur Vorwürfe oder werden bitter im Bedauern darüber, was sie versäumt
     haben. Oder sie werden vom Zorn über den Mann, der sie verlassen hat, innerlich aufgefressen. Doch auch an solchen Kränkungen kann man wachsen. Die Frau
     darf sich dann nicht nur vom Mann her definieren, sondern soll ihre eigene Identität, ihre eigene Würde finden. Sie hat für den Mann gelebt. Das ist auch
     eine Leistung. Jetzt kann sie für sich selbst sorgen und leben. Dann wird sie an diesem Schicksal reifen und vielleicht gerade durch die Verletzung zu
     einer weisen Frau werden.

    Alleinstehende Frauen haben oft Angst, wie es mit ihnen im Alter wird. Für sie wird niemand sorgen.Mit einem
     Altersheim können sie sich auch nicht immer anfreunden. So hoffen sie, dass sie möglichst bis zu letzt in ihrer Wohnung bleiben und ihr Leben meistern
     können. Doch wenn dann alte Freunde und Freundinnen wegsterben, wird es nicht einfach, sich mit der eigenen Einsamkeit auszusöhnen. Andere suchen sich
     frühzeitig einen Platz, entweder in einem Altenheim oder in einem Haus für „Betreutes Wohnen“. Es gibt heute viele Modelle, die alleinstehenden Frauen
     einen guten Lebensabend ermöglichen. Entscheidend ist aber nicht nur die äußere Wohn- und Pflegesituation, sondern die innere Bereitschaft, sich mit
     seinem Leben auszusöhnen. Da gibt es Phasen, in denen die Trauer hochkommt über all das, was man nicht leben konnte. Vielleicht hatte man den Lebenstraum,
     eine Familie zu gründen. Doch aus diesem Wunsch ist nichts geworden. Aber das Leben ist dennoch wertvoll. Es geht dann darum, sich selbst nicht
     aufzugeben, innerlich lebendig zu bleiben, interessiert am Leben, offen für die Mitmenschen und offen für Gott. Dann werden solche Frauen zum Segen für
     andere. Es gibt viele weise Frauen, die durch die Ehe weise geworden sind. Es gibt aber auch viele, die als Alleinstehende zur Weisheit gefunden
     haben.
Auch Männer altern anders
    Männer erfahren das Älterwerden anders als Frauen. Sie stehen oft unter dem Druck, sich beweisen zu müssen. Wenn sie nun älter werden,
     erhöhen sie den Druck auf sich selbst. Sie arbeiten dann nicht selten noch mehr. Oft sind sie umtriebiger, werden unruhig, müssen immer etwas tun, um sich
     und den anderen zu beweisen, dass sie unbegrenzt belastbar sind. Manchmal kommt auch eine Torschlusspanik hoch. Es bleibt nicht mehr viel Zeit, all das,
     was einem wichtig ist, durchzuführen und zu Ende zu bringen. Ältere Männer werden oft ungeduldig, können kaum warten. Wenn sie etwa beim Supermarkt

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