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Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst

Titel: Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Mass
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schauen prüfend zum Himmel. Ich hoffe, sie werden nicht nass geregnet.
    Meine Eltern sind beide eineiige Zwillinge, deshalb habe ich schon damit gerechnet, im Laufe meines Lebens weiteren Zwillingen über den Weg zu laufen, aber dies ist mein allererstes Zwillingspaar, das aus einem Jungen und einem Mädchen besteht. Sie sehen sich nicht übermäßig ähnlich. Das Mädchen hat ein ovales Gesicht, das des Jungen ist eckiger. Langsam wird mir ein bisschen unwohl bei dem Gedanken, dass ich sie heimlich beobachte, darum kritzle ich eine Nachricht an Lizzy und schiebe sie durch das Loch. Bis ich im Bad war und Shorts und T-Shirt übergezogen habe, wartet eine Antwort auf mich.
    J -
    Ich geh heute nicht aus der Wohnung = werde neue Nachbarn nicht sehen. Kannst rüberkommen, wenn du magst. Deine Großmutter hat mir eine E-Mail
wegen dem Jahrmarkt geschickt. Ich warte, bis du rüberkommst, bevor ich sie aufmache.
    L
    Ich schreibe zurück:
    L -
    Warum gehst du heute nicht aus der Wohnung?
    J
    Sie antwortet:
    J -
    G.D.N.A.
    L
    G.D.N.A.? Wieso geht es mich nichts an, wenn sie nicht mit nach unten kommen will? Und Grandma ist ganz schön raffiniert, dass sie Lizzy anstatt mir gemailt hat. Sie weiß, dass ich alles mit dem Betreff »Jahrmarkt« in der Kopfzeile lösche.
    Ich trete wieder ans Fenster, aber die neue Familie ist nicht mehr draußen. Sie müssen nach oben zu ihrer Wohnung gegangen sein. Es hat zu nieseln angefangen und die Möbelpacker tragen verpackte Möbelstücke und eine schier endlose Anzahl Umzugskartons die Treppe hoch. Ich erwäge, sie in ihrer Wohnung zu besuchen, überlege mir aber dann, dass ich besser warte, bis Mom das tut. Wahrscheinlich wird sie irgendetwas backen. Das macht man, glaube ich, wenn jemand Neues einzieht. Wären die beiden Kinder einfach nur neue Schulkameraden, ich käme nicht im Traum auf die Idee, mich ihnen vorzustellen.
Aber ich finde, dass es meine Aufgabe als Nachbar ist, mich, na ja, eben wie ein guter Nachbar zu benehmen.
    Da ich inzwischen angezogen bin, kann ich genauso gut zu Lizzy rübergehen. Ich hinterlasse einen Zettel für Mom auf dem Küchentisch. In solchen Dingen bin ich sehr pflichtbewusst.
    Grandma weiß, dass es mich davor graust, meinen Teil der Abmachung zu erfüllen, die wir letzten Sommer getroffen haben. Lizzy, Mom und ich besuchen Grandma jeden Sommer in der Pension, die sie in New Jersey betreibt. Im Prinzip ist das die einzige Gelegenheit, bei der ich den Bundesstaat, in dem ich wohne, verlasse. Letztes Jahr hat uns Grandma – wie jedes Jahr – auf den State Fair in der Nähe mitgenommen. Ich habe mich so ziemlich quer durch die ganze Veranstaltung gefuttert – karamellisierte Nüsse, Liebesapfel, Waffel, Zuckerwatte und ein Icecream-Soda. Mom meinte, ich hätte das garantiert später auszubaden, aber mir ging es gut. Ich habe einen eisernen Magen.
    Grandma wettete mit Lizzy und mir, dass die Frau an dem »Lassen-Sie-Ihr-Gewicht-schätzen«-Stand unser beider Gewicht exakt richtig schätzen würde. Sie sagte, wenn sie die Wette gewinnen würde, müssten Lizzy und ich einwilligen, nächsten Sommer beim Wettbewerb für Nachwuchstalente mitzumachen. Seit Jahren schon hatte sie uns zum Mitmachen zu überreden versucht. Anscheinend sind Wettbewerbe gut für die seelische und charakterliche Entwicklung. Sie selbst macht jedes Jahr beim Wettbewerb im Tischdecken mit und auch bei dem um die beste hausgemachte Marmelade. Läge die Frau falsch, versprach Grandma, den Wettbewerb nie wieder zu erwähnen.

    Lizzy ist vielleicht klein, aber sie hat Muskeln. Sie wiegt mehr, als man ihr ansieht. Wir tauschten wissende Blicke aus und nahmen Grandmas Wette an. Die Frau, die das Gewicht der Leute schätzte, musterte uns mit zusammengekniffenen Augen und kritzelte dann ein paar Zahlen auf ihren Notizblock. Sie legte den Block auf den Tisch und gab uns mit der Hand Zeichen, dass wir auf die Waage klettern sollten. Als sie uns den Block zeigte, lag sie exakt richtig.
    Da war eindeutig irgendein fauler Trick im Spiel, aber Grandma schleifte uns weg, bevor wir genauere Nachforschungen anstellen konnten. Ich wette, die Frau hatte eine Waage im Boden vergraben, deren Anzeige sie irgendwie lesen konnte.
    Und jetzt müssen wir also bei dieser dämlichen Talentshow mitmachen. Wenigstens können wir uns unsere Darbietung selbst aussuchen. Wir können uns ja heute eine ausdenken, die nicht allzu peinlich ist.
    Lizzys Vater öffnet mir die Tür. Er ist noch im Schlafanzug. Enten und

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