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Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst

Titel: Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Mass
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mutig genug, sie davon abzuhalten.
    »Du siehst aber nett aus, Jeremy«, sagt Mom bei meinem Anblick.
    »Uh, danke«, murmle ich und bin unfähig, ihr in die Augen zu sehen.
    »Also, wir müssen jetzt los«, sagt Lizzy und flitzt an Mom vorbei zur Tür. »Den Lauf der Post hält niemand auf. Oder so ähnlich.«

    »Einen Augenblick noch«, sagt Mom und rappelt sich vorsichtig hoch, bemüht, ihre Garnrolle nicht fallen zu lassen. Mein Puls beschleunigt sich, als sie auf mich zukommt. Sie wird es mir an der Nasenspitze ablesen. Ich bin ein miserabler Lügner. Zu meiner Überraschung marschiert Mom schnurstracks an mir vorbei und nimmt Lizzys Kinn unter die Lupe. »Ich wollte nur sichergehen, dass der Abdeckstift funktioniert«, sagt sie. »Macht einen guten Eindruck auf mich. Ich sehe überhaupt nichts.«
    Lizzy errötet heftig und schaut mich nicht an. Mir ist zum Lachen zumute, aber Lizzy würde mich umbringen. »Fein, vielen Dank für Ihre Hilfe«, nuschelt sie und macht förmlich einen Satz zur Tür hinaus. Ich finde es nett von Mom, dass sie Lizzy bei Mädchenangelegenheiten helfen will.
    Mom schließt die Tür hinter uns, und ich entdecke, dass Lizzy den Aktenkoffer kaum zwei Meter von unserer Tür entfernt abgestellt hat. Sie nimmt ihn an sich, und wir wollen gerade die Treppe hinuntergehen, als die neuen Kids aus ihrer Wohnung kommen. Zu viert stehen wir etwas unbeholfen da, bis Samantha, das Mädchen, Hallo sagt und wir uns alle gegenseitig vorstellen. Rick sieht heute nicht mehr ganz so sauer aus. Vielleicht hat er sich in sein Schicksal ergeben.
    »Und wo kommt ihr her?«, fragt Lizzy. Unwillkürlich hebt sie die Hand und betastet die Stelle, wo sich ihr abgedeckter Pickel befindet, dann lässt sie die Hand rasch wieder fallen.
    »Aus New Jersey«, antwortet Samantha. »Unser Vater arbeitet in der Stadt und war das Hin- und Herfahren leid.«
    »Seid ihr schon mal auf dem State Fair in New Jersey gewesen?«, fragt Lizzy mit ungewohnt hoher Stimme. »Wir nehmen da nächsten Monat an einem Wettbewerb teil.«

    Ich habe sie Fremden gegenüber noch nie so mitteilsam erlebt. Warum erwähnt sie ausgerechnet den Jahrmarkt?
    »Auf dem State Fair?«, wiederholt Rick und lacht. »Da gehen nur Hinterwäldler hin. Was macht ihr? Einen Traktor mit den Zähnen ziehen? Nein, wartet mal, ihr macht beim Schweinefangen mit!«
    »Halt die Klappe, Rick!«, sagt Samantha und schubst ihn heftig gegen die Wand. »Beachtet ihn gar nicht«, sagt sie Augen rollend. »Er kann so was von unausstehlich sein.«
    »Kein Problem«, brummle ich, obwohl ich es nicht wirklich ernst meine. Rick lacht noch immer und Lizzy ist verstummt. Sieht so aus, als wäre ich jetzt an der Reihe. »Also, wir hoffen, es gefällt euch hier«, sage ich zu Samantha und ignoriere Rick. Dann, wie Mom es mir beigebracht hat, ergänze ich: »Sagt Bescheid, wenn ihr irgendwas braucht.« Ich zeige, welches unsere Wohnungen sind, und da ich feststellen muss, dass Lizzy immer noch stumm ist, ziehe ich sie mit mir die Treppe hinunter.
    »Was sollte das eben?«, frage ich, sobald wir im Freien und ein Stück entfernt sind.
    Lizzys Schritte federn nicht wie sonst und sie geht sehr langsam. War sie womöglich nervös wegen Rick? Gefällt der ihr oder was? Endlich sagt sie: »Ich komme mir dermaßen blöd vor. Samantha denkt sicher, ich laufe jeden Tag in diesem idiotischen Rock rum. Und dann fange ich noch von dem bescheuerten Jahrmarkt an. Warum hab ich das gesagt? Und dieser dämliche Aktenkoffer. Hast du ihre Ohrringe gesehen? Und sie hatte rote Zehennägel!«
    »Ich will gar nicht wissen, warum du ihr auf die Füße gestarrt hast. Aber wieso interessiert es dich, ob irgendein Mädchen,
das du nicht mal kennst, denkt, du würdest jeden Tag so aussehen? Was stört dich an deinem Aussehen?«
    »Ach, egal«, sagt sie. »Du hast überhaupt keine Ahnung von Mädchen.« Sie läuft schneller, rennt fast, und ich muss mich anstrengen, um mit ihr Schritt zu halten. Na, wenigstens federn ihre Schritte wieder.

Kapitel 6: Das Büro
    Mitch sperrt gerade die Schlösser an der Eingangstür von Fink’s Comics and Magic auf, als wir ankommen. Mein Blick fällt unvermeidlich auf den großen Schlüsselbund in seinen Händen.
    »Hallo, Kumpel und Kumpeline«, sagt er und zieht dabei die Worte in die Länge. Er versucht immer zu klingen, als stammte er aus Kalifornien, dabei weiß ich, dass er bis heute noch nicht mal dort gewesen ist. Im Stillen hoffe ich, dass er tatsächlich dorthin

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