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Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst

Titel: Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Mass
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der Bus um die Ecke biegt. Wir rennen los, der Rucksack schlägt gegen meinen Rücken. Zwei Geschäftsleute warten an der Haltestelle, beide halten einen Bus-Pass in der Hand. Der Bus fährt an den Straßenrand, und ich frage Lizzy, ob sie weiß, wie viel die Fahrt kostet. Um diese Sachen hat sich immer Mom gekümmert. Ich muss wirklich anfangen, öfter die Augen offen zu halten.
    »Zwei Dollar pro Fahrt«, sagt sie. »Diesmal hab ich mich vorher schlaugemacht. Du hast doch Geld, oder?«
    »Du etwa nicht?«
    »Ich hab meines grade für die Süßigkeiten ausgegeben!«
    Während ich meine Geldbörse herausziehe, stellt sich eine Pfadfinderinnen-Schar hinter uns an. Sie kichern und stoßen sich gegenseitig an. Die beiden Männer steigen ein, stecken ihre Bus-Pässe in den Schlitz und ziehen sie wieder heraus. Es sind genau die gleichen MetroCards, die wir schon in der U-Bahn benutzen sollten. Mit solchen Dingen kommt man sehr weit in dieser Stadt! Der Fahrer wartet auf uns. Ich drücke ihm vier Dollar in die Hand. Ein Glück, dass ich meine üblichen
acht Dollar bei mir habe, sonst hätten wir nicht genug für die Rückfahrt.
    »Nur Fünfundzwanzig-Cent-Stücke«, sagt der Fahrer und schaut uns dabei nicht mal an.
    »Wir haben aber keine Fünfundzwanzig-Cent-Stücke«, sage ich kleinlaut.
    Der Fahrer rollt mit den Augen und dröhnt: »Hat irgendwer einen Sammelfahrschein?«
    Die Pfadfinderinnen hinter uns werden unruhig. Ich höre, wie eine von ihnen leise »Blödmänner!« sagt und ein paar andere kichern. Für ihre Unhöflichkeit könnte ich ruhig verlangen, dass ich dieses Mal bei ihrer jährlichen Verkaufsaktion eine Dose Plätzchen geschenkt bekomme, anstatt sie wie üblich zu bezahlen.
    »Ich übernehme das«, sagt eine Frau mittleren Alters, die ganz vorne sitzt, und steht auf. Ich stoße Lizzy mit dem Ellbogen an, als ich feststelle, dass die Frau eine Kappe und ein T-Shirt mit Yankees-Emblem trägt, genau wie der Typ, der uns in der U-Bahn geholfen hat. Ein Glück, dass Baseball-Fans so abergläubisch sind! Die Frau versenkt ihre Karte zweimal in den Schlitz und nimmt mir dann die vier Dollar aus der Hand.
    Da wir möglichst schnell aus dem vorderen Teil des Busses wegwollen, schieben wir uns bis nach hinten durch und setzen uns auf die letzten beiden freien Plätze. Lizzy dreht sich auf der Stelle zur Seite und starrt aus dem Fenster. Ich weiß, dass es ihr zusetzt, bereits zum zweiten Mal unsere Fortbewegung mit öffentlichen Verkehrsmitteln vermasselt zu haben.
    »Guck mal, Lizzy, eine von den Pfadfinderinnen hat eine andere gerade zum Heulen gebracht. Das müsste dich doch aufmuntern.«

    Ich sehe ihr Lächeln als Spiegelung in der Fensterscheibe. Lizzy ist leicht aus der Fassung zu bringen, aber man kann sie auch leicht wieder aufheitern.
    Ich hole mein Buch heraus und bin froh, mich ein paar Minuten lang mit der Grafik zum Thema Zeitreisen und String-Theorie befassen zu können. Bevor ich aber eine Zeitmaschine aus Strings, also quasi aus Saiten, bauen kann, muss ich erst mal kapieren, wovon die überhaupt reden.
    Gerade habe ich die mit einem Eselsohr versehene Seite aufgeschlagen, als mich schlagartig ein überwältigender Knoblauchgeruch trifft, der plötzlich den ganzen Bus erfüllt. Ich suche mit wilden Blicken nach der Quelle und sehe einen Mann in Bauarbeiterkluft von etwas abbeißen, das ein komplett mit Knoblauchzehen belegtes Sandwich sein muss. Wieso merkt niemand außer mir etwas? Zu Lizzy kann ich nichts sagen, ohne dass er mich hört, und er sieht mir nicht wie der Typ Mann aus, den ich gern beleidigen würde. Mit seinen aberwitzig kleinen Bissen braucht er zehn Straßen weit, bis er endlich mit dem Sandwich fertig ist. Inzwischen sind deutliche Schweißperlen auf seiner Stirn erkennbar. Er knüllt die Verpackung zusammen und steckt sie in seine Brotzeitdose zurück. Na schön, er stinkt, aber wenigstens ist er ordentlich.
    »Die nächste Haltestelle ist unsere«, sagt Lizzy und faltet ihren kleinen Stadtplan zusammen. Ich nicke nur und traue mich nicht, den Mund aufzumachen, weil sonst der Geruch hereinkommen könnte. Obwohl das Sandwich aufgegessen ist, hat der Gestank noch zugenommen. Etwas Derartiges hätte ich nicht für möglich gehalten. Der Mann hat etwas Übermenschliches. Platz da, Superman, jetzt kommt Knobiman,
der in einem einzigen stinkenden Atemzug über Hochhäuser hinwegspringen kann!
    Ich stecke mein Buch weg, weil wir gleich da sind. Das Einzige, was ich mitbekommen habe,

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