Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst
anfangen wird.
»Und da heute Montag ist«, sagt Mom und öffnet die Kühlschranktür, »können wir genauso gut heute damit beginnen. Aber keine Sorge, ich werde nachsichtig mit dir sein.« Sie holt eine mit Klarsichtfolie abgedeckte Glasschüssel heraus. Ich trete vorsichtig näher und spähe hinein.
Brokkoli!
Kapitel 8: Der alte Mann
Mom, Lizzy und ich sitzen auf der Treppe zu unserem Haus und warten, dass Mr Oswalds Fahrer uns abholt. Gestern Abend habe ich keine einzige Botschaft von Lizzy bekommen und selbst auch keine geschrieben. Ich fürchte, sie ist sauer auf mich. Wenigstens trägt sie aber wieder Pferdeschwanz und Shorts. Keinen Rock und keine wehende Haarmähne.
»Ihr habt beide die Notizbücher mit, die der Polizist euch gegeben hat?«, fragt Mom.
Wir schütteln den Kopf.
»Ich hatte den Eindruck, ihr müsstet sie mitbringen«, entgegnet sie. »Geht nach oben und holt sie. Ich warte hier, falls der Fahrer kommt.«
Als Lizzy und ich die Treppe hochsteigen, fragt sie mich, ob ich sauer auf sie bin.
Erleichtert schüttle ich den Kopf. »Ich dachte, du bist vielleicht sauer auf mich. Immerhin würdest du ohne mich und meine Kassette nicht in diesem Schlamassel stecken.«
»Und du würdest ohne mich nicht in diesem Schlamassel stecken«, kontert sie.
»Glaubst du, wir schaffen es jetzt noch, die Schlüssel rechtzeitig zu finden?«, frage ich.
»Wir halten die Augen offen«, sagt sie energisch. »Von diesen dämlichen Sozialstunden lassen wir uns doch nicht unsere Pläne versauen.«
Gerade wollen wir darauf einschlagen, als die neuen Kids aus ihrer Wohnung kommen. »Lasst euch nicht stören«, sagt Rick und zeigt auf unseren in der Luft hängenden Handschlag.
Schnell ziehen wir beide die Hände zurück. »Wie geht’s?«, fragt Lizzy mit so hoher Stimme, dass es eher wie ein Quieken klingt. Sie sagt es zu beiden, schaut aber nur Samantha an.
»Gut«, sagt Samantha. »Wir haben inzwischen fast alles ausgepackt.«
»Cool«, sagt Lizzy. Dann platzt sie heraus: »Deine Ohrringe gefallen mir.«
Samantha hebt die Hände an die Ohren. »Ich trage doch gar keine Ohrringe.«
Rick lacht. Dieser Junge wird KEIN BISSCHEN netter, und so langsam bedaure ich ihn nicht mehr dafür, dass er umziehen musste.
Lizzy wird rot wie eine Tomate. »Ich meine doch die, die du gestern getragen hast.«
»Oh, danke«, sagt Samantha. »Das war ein Geschenk von meiner Großmutter.«
»Cool«, sagt Lizzy und nickt. »Wenn du Lust hast, mal vorbeizukommen, kann ich dir was über die Nachbarn erzählen und so.«
»Klar«, sagt Samantha. »Mach ich irgendwann.«
»Cool«, sagt Lizzy. Ich würde sie gern auf die zahlreichen anderen Wörter aufmerksam machen, die ihr außer cool zur Verfügung stehen, aber wahrscheinlich würde sie mir einen Kinnhaken verpassen.
»Können wir jetzt gehen?«, fragt Rick und zieht seine Schwester den Hausflur entlang.
»Tschüss, ihr!«, ruft Samantha.
»Tschüss«, sagt Lizzy und winkt kurz.
»Seit wann bist du denn so freundlich?«, frage ich sie.
»Wie meinst du das?«, sagt sie mit Unschuldsmiene.
»Du weißt genau, wie ich es meine.«
»Ich versuche lediglich, nett zu sein«, sagt sie und steckt ihren Wohnungsschlüssel ins Schloss. »Eine gute Nachbarin eben, wie du gesagt hast. Es ist nicht verboten, dass ich mir neue Freunde suche, verstehst du.«
»Hat das irgendwer behauptet?«, gebe ich zurück und verziehe mich schnell in meine Wohnung, bevor sie darauf antworten kann. Ich sammle mein Notizbuch auf und laufe wieder nach draußen, wobei ich mir nicht die Mühe mache, auf Lizzy zu warten. Einen Moment später setzt sie sich neben mich auf die Eingangstreppe. Sie hat ihren Pferdeschwanz gelöst. Ich weiß, das sollte mir nichts ausmachen. Tut es aber. Ich hole mein Buch heraus und vergrabe meine Nase darin.
»Das muss er sein«, sagt Mom. Sie steht auf und beschirmt die Augen mit der Hand.
Ich schaue hoch und sehe Lizzy mit offenem Mund glotzen. Auf der Straße kommt uns nichts Geringeres als eine Luxuslimousine entgegen. Sie fährt direkt vor unserem Haus vor. Eine Luxuslimousine vor unserem Haus! So eine, in der Filmstars herumkreuzen. Der Fahrer steigt aus und lüftet seinen Hut in unsere Richtung. Er trägt eine echte Chauffeursuniform! Ich wusste gar nicht, dass es so was im wirklichen Leben gibt!
»Jeremy Fink und Elizabeth Muldoun?«
Wir nicken heftig. Normalerweise korrigiert Lizzy mit flinker Zunge jeden, der ihren vollen Namen zu benutzen wagt, aber jetzt
Weitere Kostenlose Bücher