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Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst

Titel: Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Mass
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Man soll als besserer Mensch daraus hervorgehen.«
    »Besserer Mensch?«, wiederholt Lizzy. »Was ist denn jetzt schlecht an uns?«
    »Keine Ahnung, Tia« , sage ich.
    Das bringt sie zum Schweigen.
    Wachtmeister Polansky wählt Mr Oswalds Nummer, und nachdem er sich vorgestellt hat, hören wir lediglich: »Ein Junge, ein Mädchen, ungefähr dreizehn. Ja. Nein. Ja. Sagen, sie sind stärker, als sie aussehen.« Er schaut auf den Bildschirm seines Computers und liest unsere Adresse vor. Dann sagt er: »Okay. Ja. Sie werden da sein. Kein Problem. Ihnen auch noch einen schönen Tag.«
    »Morgen fangt ihr an«, sagt er und macht auf seinem Klemmbrett einen Vermerk neben dem Job.
    »Äh, wie sollen wir denn dahin kommen?«, erkundige ich
mich. »Meine Mutter arbeitet nämlich ganztags und Lizzys Vater auch, da weiß ich nicht, wie …«
    Er unterbricht mich mit erhobener Hand. »Mr Oswald schickt seinen Fahrer. Der holt euch ab und bringt euch auch wieder nach Hause.«
    »Ein Fahrer?« , fragt Lizzy. »Wenn der Typ einen Fahrer hat, wieso bezahlt er dann nicht einfach jemanden, der ihm beim Packen hilft?«
    Wachtmeister Polanskys Gesicht verfinstert sich ein wenig. »Möchtet ihr lieber den ersten Job haben?«
    Lizzy schüttelt den Kopf. »Ich wollte nur mal fragen.«
    »Mr Oswald hat eine Menge für die Stadt getan«, sagt er. »Darum helfen wir ihm gern, wann immer es geht.«
    Ich frage mich, wie ein Pfandleihhausbesitzer Gutes für die Stadt tun kann, aber ich beabsichtige nicht, zu fragen. Wachtmeister Polansky sieht aus, als wäre er mit seiner Geduld am Ende. Mir gefällt nicht, dass ich schon wieder aus meiner gewohnten, sicheren Umgebung herausgerissen und wer weiß wohin verfrachtet werde.
    »Ihr könnt jetzt gehen«, sagt er. »Punkt neun Uhr morgen früh. Und zieht euch … lockerer an. Hab noch nie gesehen, dass Kinder in den Sommerferien so geschniegelt rumlaufen.«
    »Wir laufen sonst in anderen Klamotten herum«, werfe ich ein. Als ob es darauf ankäme.
    »Eins noch«, sagt er. »Wenn ihr euren Job gut macht, erlassen wir euch die Kosten für einen neuen Teppichboden. Der jetzige war schon ziemlich fertig, bevor ihr ihn in die Finger bekommen habt.«
    »Danke«, sagen wir wie aus einem Mund. Wir springen
förmlich von der Bank, so eilig haben wir es, hier wegzukommen.
    Ich will mir gerade den Rucksack umhängen, da sagt er: »Oh, wartet mal, wo hab ich bloß meinen Kopf? Ich muss ja noch eure Eltern anrufen!«
    »Die sind doch auf der Arbeit«, sagt Lizzy schnell. »Wir können es ihnen genauso gut selbst erzählen.«
    Er lacht, aber es klingt nicht besonders freundlich. »So läuft das nicht«, sagt er. »Also, wie lauten ihre Telefonnummern auf der Arbeitsstelle?«
    »Wenn ich’s mir genau überlege«, sage ich, hebe leicht die Hand und lasse sie wieder sinken, »dann ist meine Mutter heute doch zu Hause.«
    Er ergänzt beide Nummern im Computer und sagt dann: »Und jetzt ab mit euch. Seht zu, dass ihr euch den Rest des Tages aus Schwierigkeiten raushaltet.«
    Lizzy schnappt sich ihren Aktenkoffer, wir verlassen schleunigst den Raum und laufen zum Aufzug zurück. Keiner von uns sagt ein Wort, während wir den Knopf in Richtung Eingangshalle drücken. Umso besser, dass er uns weggeschickt hat, bevor er bei unseren Eltern anruft. Ich hätte Moms Reaktion nicht unbedingt miterleben wollen. Die bekomme ich noch früh genug zu hören.

    »Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?«, empfängt sie mich, als ich eine Stunde später zur Tür hereinkomme. »Und wie bist du nach Hause gekommen?«
    »Mit dem Bus«, erkläre ich ihr. Die Rückfahrt mit dem
Bus ist viel glatter verlaufen als die Hinfahrt. Wir bekamen Fünfundzwanzig-Cent-Münzen von einem Mann, der heiße Brezeln verkaufte, und Knobiman war nirgends zu sehen (oder zu riechen, je nachdem). Wir saßen vorne im Bus und ich versuchte, mein Erdnussbutter-Sandwich zu essen, während Lizzy eine Brezel futterte. Nach unseren jüngsten Erlebnissen war es nicht ganz einfach, ein Sandwich herunterzuwürgen, aber ich musste essen, solange ich konnte, falls Mom mich bestrafen wollte, indem sie nur gesunde Sachen zum Abendessen hinstellte. Trotzdem schaffte ich nur die Hälfte des Sandwichs.
    »Es tut mir leid, dass wir gelogen haben, als wir sagten, wir würden zur Post gehen«, antworte ich kleinlaut. »Ich weiß, wir hätten dir sagen sollen, wohin wir gehen. Ich hatte Angst, du würdest es nicht erlauben.«
    »Komm her und setz dich«, sagt sie und führt mich

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