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Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst

Titel: Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Mass
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nun mal. »Äh, Jeremy reicht«, sage ich.
    »Gut, dann also Jeremy«, sagt Mr Oswald.
    »Äh, hätten Sie was dagegen, wenn ich mir Ihre Briefmarkensammlung anschaue? Es geht auch ganz schnell.«
    »Fühlen Sie sich wie zu Hause«, sagt er und fordert mich mit einer Handbewegung auf, vor das Regal zu treten. »Sind Sie schon lange Philatelist?«
    »Wie bitte?«, sage ich.
    Er lächelt. »Briefmarkensammler. Man nennt sie Philatelisten .«
    »Ach so«, sage ich und komme mir ein bisschen dumm vor. »Nein, mein Vater war einer. Es gibt eine spezielle Marke, nach der er die ganze Zeit gesucht hat, und deswegen habe ich jetzt – also, na ja.«
    Er beendet den Satz für mich. »Deswegen haben Sie jetzt die Suche an seiner Stelle übernommen?«

    Ich nicke.
    »Wundervoll. Wenn Sie fertig sind, können Sie beide sich setzen, und dann werden wir plaudern.«
    Die Marke ist blau und am oberen Rand steht »Hawaii« drauf, sie müsste also leicht zu finden sein. Rasch überfliege ich die Papierbögen mit den Briefmarken, aber natürlich ist die besagte Marke nicht dabei. Ich lege den Stapel aufs Regal zurück und muss Lizzy zweimal am Ärmel zupfen, bevor sie sich von einer überdimensionalen Puppe mit riesigen blauen Augen losreißt. Ich weiß nicht, was gruseliger ist – die Puppe selbst, die mit leeren Augen schaut und den Eindruck erweckt, als wollte sie sagen: »Ich kann lebendig werden und mich auf dich stürzen«, oder die blanke Tatsache, dass Lizzy von einer Puppe begeistert ist.
    Wir nehmen in den ausladenden Sesseln vor dem Schreibtisch Platz. So groß ich für mein Alter bin, in diesem Sessel fühle ich mich ganz klein.
    »Nun denn«, beginnt Mr Oswald, »sicherlich möchten Sie gerne wissen, was Sie hier zu tun haben.«
    »Es ist völlig egal, was wir hier zu tun haben«, sagt Lizzy. »Dieses Haus ist der Hammer!«
    Mr Oswald lacht. Es ist ein tiefes, herzhaftes Lachen. »Danke, möchte ich sagen. Ich freue mich, dass Ihnen mein Haus gefällt. Mir wird es schwerfallen, es zu verlassen. Aber ich versichere Ihnen, dass ich sehr wohl vorhabe, Sie arbeiten zu lassen.«
    Wenn ich nach Dads Briefmarke suche, schnürt sich mir immer die Kehle zu. Ich schlucke heftig und sage: »Wachtmeister Polanksy hat gemeint, Sie brauchen uns zum, äh, Einpacken? Wahrscheinlich von diesen Sachen da?« Ich deute auf all den Kram im Raum.

    »Das trifft es beinahe, aber nicht ganz«, erwidert Mr Oswald und legt die Fingerspitzen aneinander. »Ich brauche Sie für Lieferdienste. Hier in Manhattan. James wird Sie begleiten.«
    Ich öffne den Mund, um zu fragen, was wir abliefern sollen, als Lizzy sagt: »Juchhu! Wir können wieder mit der Luxuslimousine fahren!«
    Mr Oswald lächelt ihr zu wie einem schlauen Kind, das soeben das Alphabet zum ersten Mal aufgesagt hat. Dann steht er auf und sagt: »Ich muss jetzt zu einer Veranstaltung und bin schon spät dran, aber ich werde Sie in Ihren ersten Lieferdienst einweisen. Morgen können wir weiterreden.«
    Schnell stehe ich ebenfalls auf. »Sehen wir Sie heute nicht mehr?«
    Er schüttelt den Kopf. »Machen Sie sich keine Gedanken, James weiß, was zu tun ist.«
    »Aber sollen Sie nicht am Ende des Tages unsere Notizen abzeichnen?«
    Er geht um den Schreibtisch herum und legt mir die Hand auf die Schulter. »Machen Sie sich nicht so viele Gedanken. Schreiben Sie einfach heute Abend Ihre Beobachtungen auf, dann können wir sie uns morgen ansehen, einverstanden?«
    Ich nicke.
    »Sie müssen Jeremy entschuldigen«, sagt Lizzy und steckt sich ein Starburst-Fruchtgummi in den Mund. »Er erinnert auch immer die Lehrer dran, wenn sie vergessen, uns Hausaufgaben aufzugeben.«
    Woher hat sie Starbursts und warum hat sie mir nichts davon abgegeben? Und außerdem ist es mir nur ein einziges Mal passiert, dass ich einen Lehrer erinnert habe, bevor ich meine Sinne wieder beisammenhatte!

    Kauend fügt sie hinzu: »Er liest sogar Bücher in den Sommerferien.«
    »Dich würde es auch nicht umbringen, wenn du ab und zu mal ein Buch in die Hand nimmst, Lizzy«, sage ich zwischen zusammengebissenen Zähnen, denn in Gegenwart von Mr Oswald will ich mich nicht streiten.
    Mr Oswald greift nach seiner Aktentasche und rückt seine Krawatte zurecht. »Was lesen Sie gerade, Jeremy?« Er wirft einen Blick auf meinen vollgestopften Rucksack.
    Lizzy rollt mit den Augen, aber ich öffne den Rucksack und krame darin herum. Ich halte ihm mein derzeitiges Buch, Zeitreisen im Film, hin.
    »Sind Sie ein Fan von

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