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Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst

Titel: Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Mass
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Zeitreise-Filmen?«, fragt er und schlägt das Inhaltsverzeichnis des Buchs auf.
    Ich nicke. »Ich habe alle gesehen«, sage ich und hoffe, dass ich nicht zu angeberisch klinge.
    »Was war Ihr Lieblingsfilm?«, will er wissen.
    Ich muss kurz überlegen. »Es kommt darauf an, wie realistisch sie sind. Also, ob so was wirklich passieren könnte. Ich meine, wissenschaftlich gesehen.«
    Er antwortet nicht, darum schwadroniere ich weiter: »Also, es gibt doch so einen Film, in dem der Typ sich bloß aufs Bett legt und ganz, ganz fest konzentriert, und dann landet er in der Vergangenheit. So was kann jedenfalls in der Wirklichkeit nicht passieren.«
    »Vermutlich nicht, nein«, stimmt er zu und gibt mir das Buch wieder. Als ich es in den Rucksack zurückstopfe, hole ich für einen kurzen Moment Dads Kassette heraus.
    »Was für eine interessante Kassette«, sagt Mr Oswald. »Darf ich sie mir mal anschauen?«

    Einen Augenblick lang bin ich hin und her gerissen. Ich hatte beschlossen, sie niemandem mehr zu zeigen. Aber ich will nicht unhöflich sein, darum gebe ich sie ihm. Ich schaue Lizzy an, die stumm die Worte formt: Du hast sie mitgenommen?
    Ich zucke die Achseln. Ich konnte sie nicht allein zu Hause lassen. Mr Oswald gibt sie mir wieder und sagt: »Sehr schön. Ich kann Ihnen Luftpolsterfolie geben, falls Sie sie einschlagen wollen. Das wird sie schützen.«
    »Klar, gerne«, sage ich. Ich bin überrascht und ein bisschen beleidigt, dass er nicht mehr zu der Kassette oder den Worten darauf gesagt hat. Wahrscheinlich sieht er so viele Dinge, dass eine einzelne Holzkassette ihn nicht beeindruckt.
    »Bedienen Sie sich auf dem Weg nach draußen«, sagt er. »Sämtliche Verpackungsmaterialien befinden sich im Nachbarraum. Aber jetzt will ich Ihnen Ihre Aufgabe zuweisen.« Er wendet sich nach links und wandert an einer der Regalwände entlang. Ich habe keine Vorstellung, was er da holen will. Er geht an der überdimensionalen Puppe vorbei, an einer alten Schreibmaschine aus Metall und fährt mit den Fingern über die Buchrücken. Er zieht ein Buch heraus, schlägt es auf, stellt es dann ins Regal zurück und zieht ein anderes heraus. Das wiederholt er so oft, bis er ein Büchlein mit hellblauem Einband öffnet und ein Umschlag daraus zu Boden gleitet.
    »Ich mache das«, sage ich, während ich mich bücke, um den Umschlag aufzuheben. Er ist vergilbt und dünn und auf der Vorderseite steht in schwarzer Tinte ein Name geschrieben. Mabel Parsons. Mr Oswald nimmt ihn mir aus der Hand und steckt ihn ins Buch zurück. Dessen Einband ist so ausgebleicht, dass ich den Titel nicht lesen kann.

    »Selbst eine Leseratte wie Sie dürfte am Thema dieses speziellen Buchs wenig Interesse haben«, sagt er und legt es behutsam in eine aufgeklappte Pappschachtel auf seinem Schreibtisch. »Es ist über Waldtiere.«
    »Waldtiere?«, wiederhole ich.
    Er nickt und klebt die Schachtel mit dickem Packband zu. »Eulen, Bären, Kaninchen. Tiere dieser Art.«
    Das klingt wirklich einigermaßen langweilig. »Wollen Sie es einer Bücherei spenden?«, frage ich.
    »Oh nein«, sagt er, liefert aber keine weiteren Erklärungen. Dann reißt er einen gelben Post-it-Zettel von einem Block ab, klebt ihn oben auf die Schachtel und schreibt bedächtig eine Adresse darauf. Ich sehe, dass seine Hand dabei vor Anstrengung leicht zittert. Wie alt er wohl ist? Auf jeden Fall älter als alle meine Großeltern. Er drückt auf den Schalter einer Gegensprechanlage auf seinem Schreibtisch und ich höre ein paar Zimmer weiter ein leises Summen. Kurz darauf erscheint James und Mr Oswald übergibt ihm das Päckchen. »Die Adresse steht hier drauf«, sagt er. »Ich würde Sie bitten, die jungen Leute bis zur Tür zu begleiten; aber danach sind die beiden auf sich selbst gestellt.«
    »Jawohl, Sir«, antwortet James.
    Ich will hinter den beiden Männern den Raum verlassen, drehe mich aber noch mal um und sehe, dass Lizzy die Puppe mit den blauen Augen im Arm hält. Als sie merkt, dass ich sie beobachte, setzt sie die Puppe rasch wieder ins Regal. Ich ziehe die Augenbrauen hoch und sie wirft mir als Antwort einen grimmigen Blick zu. Wir kehren auf demselben Weg wie vorher zur Haustüre zurück und bleiben unterwegs einmal stehen, damit ich einen Bogen Luftpolsterfolie mitnehmen kann.

    »Viel Glück«, sagt Mr Oswald freundlich und drückt die Tür hinter uns zu.
    »Moment mal«, sagt Lizzy von der obersten Stufe aus. »Warum brauchen wir Glück? Was sollen wir denn eigentlich

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