Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst
herrschte Frieden auf der Welt. Vielleicht ist es wahrhaftig so einfach. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass es nicht ganz stimmig ist. Ich bin unbedingt dafür, dass die Menschen einander helfen, aber das klingt eher wie eine gute Idee und nicht wie der eigentliche Grund, warum wir hier sind.
Obwohl es heute nicht übermäßig heiß draußen ist, fühle ich mich verschwitzt und klebrig. Wann habe ich zuletzt geduscht?
Ich bedanke mich bei Mrs Sanchez und folge Lizzy zur Wohnung der Zwillinge hinauf. Samantha öffnet die Tür, schwarz gekleidet von Kopf bis Fuß. »Damit ich in die richtige Stimmung komme«, erklärt sie, als sie merkt, dass wir ihr Outfit mustern. Selbst ihre Augen sind schwarz umrandet.
Plötzlich leuchtet eine Glühbirne in meinem Hirn auf. »Hey, Eyeliner! Jetzt weiß ich, was Eyeliner ist!«
Samantha wirft mir einen seltsamen Blick zu und Lizzy tritt mich gegen das Schienbein. Ich versuche, Antworten auf die wichtigsten Fragen der gesamten Menschheit zu finden, und meinen größten Durchbruch habe ich beim Thema Mädchen-Schminkkram? Ich bin wirklich zu bedauern.
»Kommt rein«, sagt Samantha und führt uns den Flur entlang. »Wir haben das Ouija-Brett im Wohnzimmer aufgestellt.« Ohne sich umzudrehen, fügt sie hinzu: »Warum riecht es hier nach Erdnussbutter?«
Ich kontrolliere rasch unter meiner Achselhöhle. Jep, das bin ich. Ich sollte wahrhaftig meinen Duschplan genauer einhalten.
Rick erwartet uns. Er ist nicht schwarz gekleidet. Dafür trägt er aber einen Umhang. »Frag mich nicht«, sagt er zu mir.
»Samantha hat mich dazu gezwungen. Sie sagte, wenn ich ihn nicht anziehen würde, wäre es einzig und allein meine Schuld, wenn wir keinen Kontakt mit deinem Vater aufnehmen können. Zu viel Druck, also trage ich ihn eben. Er stammt von einem alten Halloween-Kostüm. Es ist nicht so, als hätte ich rein zufällig so einen Umhang da.«
Das ist die längste Rede, die Rick jemals an mich gerichtet hat. Und es war nicht mal etwas Fieses drin. Vielleicht hatte Lizzy in Bezug auf ihn recht.
Alle Vorhänge sind zugezogen, und Samantha schaltet das Licht aus, bevor sie sich im Schneidersitz auf den Teppich hockt. Man käme gar nicht auf die Idee, dass draußen Tageslicht ist. Lizzy, Rick und ich setzen uns zu Samantha. Das Ouija-Brett ist in der Mitte aufgestellt. Der kleine Plastikzeiger, der daran befestigt ist, befindet sich an einer Ecke. Ich habe seit der Geburtstagsparty meines Sitznachbarn aus der sechsten Klasse nicht mehr mit einem Ouija-Brett hantiert. Wir haben damals versucht, mit dem Geist von George Washington in Verbindung zu treten, weil er der einzige Tote war, auf den wir uns einigen konnten. Jeder warf jedem anderen vor, er würde schummeln und das Zeigerding bewusst herumschieben. Zwei Kids liefen heulend nach Hause. Ich hoffe, diesmal geht die Sache besser aus.
»Wir sind bereit anzufangen«, sagt Samantha mit gedämpfter Stimme. »Alle fassen sich an den Händen.« Widerwillig nehme ich Ricks Hand auf der einen und Samanthas Hand auf der anderen Seite. »Wir werden den Geist von …« Aus dem Mundwinkel flüstert sie mir zu: »Wie heißt dein Vater?«
»Daniel Fink«, flüstere ich zurück.
»Wir werden den Geist von Daniel Fink anrufen«, fährt
Samantha fort. »Mr Fink, wenn Sie meine Stimme hören können, senden Sie uns bitte ein Zeichen.«
Ich höre das Geräusch meines eigenen Atems und daneben schwache Geräusche aus dem Straßenverkehr. Von draußen ertönt eine Hupe, und Samantha sagt: »Wir danken Ihnen! Wir nehmen das als Zeichen Ihrer Anwesenheit und Ihres Willens, mit uns zu sprechen.«
Ich mache den Mund auf und will etwas einwenden, aber Lizzy wirft mir von der anderen Seite des Ouija-Bretts einen kurzen Blick zu. Samantha lässt meine Hand los, worauf ich die von Rick loslasse. Er und Lizzy halten sich aber weiter aneinander fest, bis ich mich räuspere und Lizzy Ricks Hand hastig fallen lässt.
»Gut«, sagt Samantha. »Jetzt legt alle die ersten beiden Finger eurer rechten Hand auf den Zeiger.«
Wir beugen uns alle ein bisschen dichter über das Brett und tun, was sie gesagt hat. Sie schließt die Augen und beginnt, ein wenig seitwärts hin und her zu schaukeln. »Oh großer Geist von Daniel Fink, wir rufen dich an, unsere Bitte zu erfüllen. Bitte sag uns, wo wir die Schlüssel zu der Kassette finden, die du Jeremy hinterlassen hast.«
Eine Weile passiert nichts. Es ist schwieriger, als man vielleicht denkt, seine Hand leicht auf einem
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