Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst
finden.«
»Beschäftigt dich das immer noch?«, fragt sie besorgt. »Hoffentlich verdirbt es dir nicht den Sommer. Das hätte dein Dad nicht gewollt.«
Schnell widerspreche ich. »Nein, es verdirbt mir nicht den Sommer. Er wird dadurch nur … anders. Das ist alles.«
»Ich muss jetzt los zur Arbeit«, sagt sie. »Denk dran, oft regeln sich Dinge ganz von selbst. Nicht alles lässt sich von uns steuern.«
»Ich weiß, Mom. Glaub mir, ich weiß das.«
»Das ist gut, denn heute Morgen hast du Hafergrütze zum Frühstück. Ich habe unsere Vereinbarung nicht vergessen, dass du künftig jede Woche ein neues Essen ausprobierst. Ich habe die Grütze auf dem Herd warm gehalten. Vollkorn mit Pfirsichen. Du wirst begeistert sein!«
Mein Magen protestiert knurrend.
»Und ich werde es herausfinden, wenn du das Essen in den Müll schmeißt.«
Ich rolle mit den Augen. »Weil Mütter alles wissen.«
»Richtig«, sagt sie und schaut in den Spiegel, weil sie den heutigen Button anstecken will, LESEN IST NICHT NUR WICHTIG, ES MACHT SPASS.
»Und denk nicht mal im Traum dran, es an die Fische zu verfüttern.«
Nachdem sie weg ist, zwinge ich mich dazu, mich hinzusetzen und ein paar Löffel von der Pampe im Topf zu essen. Ich beiße auf ein Stück Pfirsich und kotze beinahe. Ich muss es aus dem Mund nehmen. Pfirsich ist eine meiner Lieblings-Geschmacksrichtungen bei Mentos. Wie kommt es, dass ich keinen echten Pfirsich essen kann? Entschlossen, nicht klein beizugeben, picke ich ein anderes Stück Pfirsich heraus, benutze meine Serviette, um die daran klebende Grütze abzuwischen, und stecke es mir in den Mund.
Zehn Sekunden später rebelliert mein Magen, ich knie über der Kloschüssel und verabschiede mich von meiner ersten Portion Hafergrütze. Im Klo sieht sie genauso aus wie vorher, bevor ich sie gegessen habe. Das ist echt nicht in Ordnung.
Ich kehre in mein Zimmer zurück und finde eine Nachricht von Lizzy vor.
Treffen wir uns heute Mittag draußen zum Üben? Dad lässt mich mit dem Hula-Hoop-Reifen nicht mehr ins Wohnzimmer, seit ich die Vase von seiner Großtante kaputt gemacht habe.
Ich kritzle Okay auf den Zettel und stecke ihn wieder ins Loch. Dann lasse ich mich mit einem Comic aufs Bett fallen, aber bevor ich das Heft aufschlage, schießen mir die Worte der Handleserin wieder durch den Kopf. Was ist, wenn die Schlüssel hier vor meiner Nase sind? Jedenfalls habe ich die Wohnung nicht ernsthaft durchsucht. Mom hat gesagt, sie wären nicht hier, aber was ist, wenn sie sich irrt? Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden. Ich werfe den Comic hin.
In der Küche lege ich los und ziehe jede Schublade bis zum Anschlag auf. Unter einem Stapel Speisekarten von Schnellrestaurants finde ich viele Knöpfe und Büroklammern und Post-it-Zettel. Perlen in rauen Mengen. Murmeln, Briefmarken (keine alten), eine alte Postkarte, die Grandma von einer Reise zum größten Wollknäuel der Welt geschickt hat, und ein Sortiment Tic Tac. Ich finde drei Schlüssel, erkenne sie aber als die Schlüssel zur Eingangtür von Dads Laden.
Im Wohnzimmer haben wir keine Schubladen, aber ich schaue hinter die Gardinen und unter den Kaffeetisch und hinter die Bücherregale. Ich schiebe meine Hand unter Plunder und sie landet auf etwas Klebrigem. Ich greife danach und bringe einen orangefarbenen Marshmallow-Hasen von einem lange zurückliegenden Osterfest zum Vorschein. Nicht mal ich würde den jetzt essen. Das Gruselige daran ist, dass er noch völlig einwandfrei aussieht. Staubig, aber einwandfrei. Ich glaube, Dr. Grady hatte unrecht. Am Ende der Welt werden Bakterien, Kakerlaken und Marshmallows übrig bleiben.
Mir ist komisch bei dem Gedanken, Moms Zimmer zu durchsuchen. Ich gehe hinein, verlasse es dann aber schnell wieder. Ich kann das nicht. Ich verlasse mich einfach auf ihr Wort, dass die Schlüssel nicht hier sind.
Dann schiebe ich einen Zettel durch die Wand und bitte Lizzy, in ihrer eigenen Wohnung zu suchen. Immerhin hat Mom gesagt, dass die Kassette eine Zeit lang dort aufbewahrt worden ist. Lizzy schreibt zurück, dass sie sich umschauen wird. Zwanzig Minuten später hole ich einen Zettel heraus und finde darin zwei Schlüssel eingewickelt.
Die waren beide in einem Schälchen auf Dads Kommode.
Was meinst du?
Ich drehe die Schlüssel in meiner Hand hin und her. Sie sind meiner Meinung nach etwas kleiner als die, die wir brauchen, aber einen Versuch ist es wert. Ich nehme sie zu meinem Schreibtisch mit und setze mich
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